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Stellenkommentar GT 19, KSA 1, S. 124-127 351

Schopenhauers pessimistischer Philosophie bestimmten „furchtbaren Ernst
der wahren Natur“ (125, 20 f.).
125, 26 f. Wer die Oper vernichten will] Hier zeigt sich am deutlichsten das
Motiv der generalisierenden Verdammung alles bisherigen Opernschaffens: N.
will den Weg freimachen für Wagners musikalische Werke, die er als einzig
gültige „Wiedergeburt der Tragödie“ deklariert und die Wagner selbst gerne
mit einer Aburteilung aller früheren Opern verbindet, so schon in seiner Schrift
Oper und Drama (1851). Deshalb verkürzt N. nicht nur die frühen italienischen
Opern auf ein „läppisches Getändel“ (125, 20) nach Art von Schäferspielen,
sondern übergeht auch die heroische Barockoper Händels, ferner Glucks und
Mozarts Opernwerk sowie Verdis Opern, die schon zu einem großen Teil kom-
poniert und aufgeführt waren (darunter die großen Opern-Erfolge Rigoletto, II
Trovatore, La Traviata; gleichzeitig mit dem Erscheinen von GT wurde Aida
uraufgeführt). In einem nachgelassenen Notat heißt es (NL 1870/1871/1872,
KSA 7, 8[47], 241, 6-20): „Abwertung der unheimischen Formen: die Oper [...]
Rückkehr zum deutschen Mythus durch Wagner. / Mit Mythus und Volkslied
stürzt er alle uneinheimischen Gattungen“. Später dagegen notiert N.: „Das
falsche Germanenthum bei R(ichard/ W(agner} (und die gründliche psychologi-
sche Falschheit dieser höchst,modernen4 Mischung von Brutalität und Verzär-
telung der Sinne) ist mir ebenso zuwider wie das falsche Römerthum bei David,
oder das falsche englische Mittelalter Walter Scotts“ (NL 1884, KSA 11, 26[358],
244).
125, TI f. jene alexandrinische Heiterkeit] Vgl. NK 116, 9 f.
126, 31-127,1 Wenn wir aber mit Recht in der hiermit angedeuteten Exemplifl-
cation das Entschwinden des dionysischen Geistes mit einer höchst auffälligen,
aber bisher unerklärten Umwandlung und Degeneration des griechischen Men-
schen in Zusammenhang gebracht haben] Zum zeitgenössisch aktuellen Begriff
der Regeneration4, der hier als geschichtliches Erklärungsschema dient, vgl.
NK 112, 6-10.
127, 2-4 die allersichersten Auspicien [...] das allmähliche Erwachen
des dionysischen Geistes in unserer gegenwärtigen Welt] Diese „Auspi-
cien“, d. h. Anzeichen (nach dem römischen auspicium, einem durch Vogel-
schau gewonnenen Vorzeichen) sind die Opern Wagners. N. hütet sich aller-
dings hier wie im Folgenden, sein bisher im Hinblick auf die griechische
Tragödie und auf die früheren Opern formuliertes Hauptargument, das negativ
gewertete Vordringen des „Wortes“, auf Wagner anzuwenden - obwohl bei
Wagner in besonderer Weise die von N. verurteilte Verbindung des „Wortes“
mit der Musik auffällt.
 
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