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Stellenkommentar GT 20, KSA 1, S. 131-132 373

„Pr. N hat mir die Melancholie von Dürer gebracht“. Wagner rühmt in seinem
Beethoven den „großen Albrecht Dürer“, in dem sich der faustisch-„deut-
sche Geist“ manifestiert habe (GSD IX, 95). Der Komplex Dürer - Nietzsche -
Wagner spielt in Thomas Manns Doktor Faustus, der auch ein Nietzsche-Roman
ist, eine große Rolle. Eine Vermittler-Funktion hatte Ernst Bertrams in den
Zwanziger] ahren des 20. Jahrhunderts und darüber hinaus außerordentlich
erfolgreiches Nietzsche-Buch mit dem Kapitel Ritter, Tod und Teufel (Ernst Bert-
ram: Nietzsche. Versuch einer Mythologie, Bonn, 1. Aufl. 1918, 2. Aufl. 1919,
3. Aufl. 1919, 4. Aufl. 1920, 5. Aufl. 1921, 6. Aufl. 1922, 7. durchgehend verbes-
serte und ergänzte Aufl. 1929).
131, 30 f. Schopenhauer: ihm fehlte jede Hoffnung] Aufschlußreiche Absetzung
von 131, 17, wo N. von seiner eigenen „Hoffnung“ spricht, die sich als die Hoff-
nung auf den „dionysischen Zauber“ (131, 34-132, 1) erweist.
132, 8-10 Leben, Leid und Lust [...] Wahn, Wille, Wehe.] Diese auffälligen
Alliterationen erinnern an Wagners Sprache, die sich immer wieder an die
germanische Stabreimdichtung anlehnt. Wagner hatte dies folgendermaßen
begründet (Oper und Drama, GSD IV, 93 f.): „Dem Wesen einer ungekünstelten
Anschauung der Natur [...] entsprechend, stellte die Sprache nur Verwandtes
und Ähnliches zusammen, um in dieser Zusammenstellung nicht nur das Ver-
wandte durch seine Ähnlichkeit deutlich zu machen [...], sondern auch, um
[...] einen desto bestimmteren und verständlicheren Eindruck auf das Gefühl
hervorzubringen [...] Dieses dichtende Moment der Sprache ist die A11 i t e r a -
tion oder der Stabreim, in dem wir die urälteste Eigenschaft aller dichteri-
schen Sprache erkennen. / Im Stabreime werden die verwandten Sprach-
wurzeln in der Weise zu einander gefügt, daß sie, wie sie sich dem sinnlichen
Gehöre als ähnlich lautend darstellen, auch ähnliche Gegenstände zu einem
Gesammtbilde von ihnen verbinden, in welchem das Gefühl sich zu einem
Abschlüsse über sie äußern will“. Dagegen wertet Wagner den Endreim ab
(S. 109 f.): „Diese Bewegung auf die Schlußsylbe hin entsprach ganz dem Cha-
rakter der Sprache der romanischen Völker, die, nach der mannigfaltigsten
Mischung fremder und abgelebter Sprachbestandtheile, sich in solcher Weise
herausgebildet hatte, daß in ihr das Verständniß der ursprünglichen Wurzeln
dem Gefühle vollständig verwehrt blieb [...] Das Bezeichnendste des Endreimes
ist somit aber, daß er, ohne beziehungsvollen Zusammenhang mit der Phrase,
als eine Nothhilfe zur Herstellung des Verses erscheint“.
In der ursprünglichen Fassung des für GT vorgesehenen Vorworts an
Richard Wagner heißt es (NL 1871, KSA 7, 11[1], 354, 2-10): „Auch ich habe
meine Hoffnungen. Diese haben es mir möglich gemacht, während die Erde
unter den Schritten des Ares zitterte, unausgesetzt und selbst mitten im
 
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