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Stellenkommentar GT 21-22, KSA 1, S. 132 375

lieh an Wagners Tristan und Isolde seine Konstruktion des Apollinischen und
des Dionysischen und damit auch die (wenngleich nicht ganz genau) entspre-
chende Konstellation von „Vorstellung“ und „Wille“ zu exemplifizieren. So
erhebt er Tristan und Isolde zum idealen ,Musikdrama4. Dabei spricht er von
„jener prästabilirten Harmonie, die zwischen dem vollendeten Drama und sei-
ner Musik waltet“ (137, 27 f.), während er bei der Behandlung der griechischen
Tragödie die Musik, d. h. den „Chor“ nicht nur als den Ursprung, sondern
auch als das einzig Wesentliche begriff und dagegen den Dialog samt der
Handlung, also das eigentlich Dramatische, als Phänomen des Niedergangs
und als Abfall vom rein musikalischen „Ursprung“ darstellte. Analog versucht
er jetzt das ,Apollinische4 wieder in ein ausgewogeneres Verhältnis zum diony-
sischen4 zu bringen; er betont aber, daß in der „Tragödie“, die er kurzerhand
mit Wagners Oper (als der ,wiedergeborenen4 Tragödie) gleichsetzt, das Diony-
sische in der „Gesammtwirkung“ doch das „Uebergewicht“ erhält (139, 24 f.).
Diese Konstruktion soll dazu dienen, das von Schopenhauers Konstellation
von „Wille“ (« „Dionysisch“) und „Vorstellung“ (« „Apollinisch“) abgeleitete
Kräfteverhältnis durch eine entsprechende Interpretation von Wagners Oper zu
bestätigen.
Wie schon in der Schlußpartie von GT 20 (132, 10 f.) ruft N. im 21. Kapitel
die „Freunde“ als Gleichgesinnte und daher Einweihungsbereite an (135, 8).
Diese Anrufung wiederholt sich in den folgenden Kapiteln (140, 6; 147, 13; 154,
14). Gemeint sind die Wagner-Anhänger, mit denen zusammen N. eine „Cultur-
bewegung“ für Bayreuth zustandebringen will (An Carl von Gersdorff, 4.2.1872,
KSB 3, Nr. 197, S. 286, Z. 9). Mit seinen Anrufungen der (Wagner-) Freunde
nimmt N. Wagners eigene emphatische Hinwendung zu den „Freunden“ in
seiner 1851 entstandenen Schrift Eine Mittheilung an meine Freunde auf (GSD
IV, 230-344). Darin entwickelt Wagner ausführlich, wie er sich ideale
„Freunde“ vorstellt und welche Bedeutung sie für seine künstlerischen Pläne
haben.
132, 21 f. Von diesen exhortativen Tönen in die Stimmung zurückgleitend, die
dem Beschaulichen geziemt] Im eigentlichen Sinn auffordernd, „exhortativ“, ist
die Schlußpartie von GT 20: „Ja, meine Freunde, glaubt mit mir an das dionysi-
sche Leben [...]: kränzt euch [...]. Jetzt wagt es nur, [...] glaubt an die Wunder
eures Gottes!“ (132, 10-19). Doch die Stimmung ist nun nicht ,beschaulich4,
denn N. spricht, seiner Vorliebe folgend, in Superlativen (132, 24-32): „für den
innersten Lebensgrund [...] von den stärksten Zuckungen des dionysischen
Dämon bis in’s Innerste erregt [...], der natürlichsten Heimatsinstincte“.
132, 26 die Perserschlachten] Durch die siegreichen Schlachten in den ersten
Jahrzehnten des 5. Jahrhunderts, zu Land bei Marathon (490 v. Chr.) und zur
 
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