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378 Die Geburt der Tragödie

sowie Historiker und Politiker, der wegen seiner demokratischen Ideen seines
Professorenamtes enthoben wurde. N. bezieht sich auf dessen Schrift Händel
und Shakespeare. Zur Ästhetik der Tonkunst, Leipzig 1868, die er selbst in seiner
persönlichen Bibliothek hatte. Gervinus verstand Musik als „Darstellung von
Gefühlen“ (S. 203): von individuellen Affekten. In einem Brief an Carl Fuchs
vom 30. September 1873, der sich mit musikalischen Themen beschäftigt,
schreibt N. von den „absurden Herren Lotze und Gervinus“ (KSB 4, Nr. 317,
S. 164, Z. 77 f.). Mit seiner Polemik wußte er sich in Übereinstimmung mit
Wagner, der in seinem Beethoven-Aufsatz mehrmals Gervinus verächtlich zu
machen suchte. „Wenn es schon so schwer fällt“, schrieb Wagner, „einen Dich-
ter sich zu erklären, daß wir von einem berühmten deutschen Litteraturhistori-
ker die allerthörigsten Behauptungen über den Entwickelungsgang des Shake-
speare’schen Genius’ uns gefallen lassen mußten, so haben wir uns nicht zu
verwundern, wenn wir auf noch größere Abirrungen treffen, sobald in ähnli-
cher Weise ein Musiker wie Beethoven zum Gegenstände genommen wird!“
(GSD IX, 63) An anderer Stelle wird „ein langweilig erläuternder Kommentar
von Gervinus zu einer Scene des Shakespeare“ für Wagner zum Anlaß, seinen
Unmut gegen Gervinus zu äußern. Vgl. dagegen die 1872 erschienene Würdi-
gung durch Leopold von Ranke in NK 130, 19-25.
135, 25 „Tristan und Isolde“] Richard Wagners Oper war am 10.6.1865 uraufge-
führt worden. N. interpretiert sie im Folgenden nach den Grundvorstellungen
Schopenhauers in der Welt als Wille und Vorstellung. In der Schrift Richard
Wagner in Bayreuth nennt er Tristan und Isolde „das eigentliche opus metaphy-
sicum aller Kunst“ (KSA 1, 479, 19).
N. besaß in seiner persönlichen Bibliothek eine vollständige Partitur von
Tristan und Isolde. Auf dem Schmutztitel befindet sich folgende Widmung an
seinen - ebenfalls komponierenden - Freund und Mitarbeiter Heinrich Köselitz
(Pseudonym: Peter Gast): „Diese Partitur wird fruchtbringender in Ihren Hän-
den sein, mein lieber Freund Köselitz, als in den meinen: sie sehnt sich gewiss
längst nach einem würdigeren Besitzer und Jünger der Kunst als ich es bin, im
Fall etwas von der Seele des grossen Mannes, der sie mir gab, daran hängen
geblieben ist [...] Neujahr 1878 / Treugesinnt / Ihr Freund und Lehrer / Friedrich
Nietzsche“ (NPB, mit Lesespuren, Campioni S. 712). In seiner persönlichen Bi-
bliothek hatte N. außerdem: Tristan und Isolde. Vollständiger Klavierauszug von
Hans von Bülow.
135, 34-136, 1 aus dem „weiten Raum der Weltennacht“] Tristan und Isolde,
3. Aufzug, 1. Szene. Tristan spricht diese Worte, als er aus der Bewußtlosigkeit
erwacht. Statt „Raum“ heißt es allerdings bei Wagner „Reich“.
136,15 universalia ante rem] Zitiert im Sinne Schopenhauers. Vgl. das Scho-
penhauer-Zitat 106, 33 f.
 
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