Stellenkommentar GT 23-25, KSA 1, S. 145-146 393
geboren“, dann im Schlußsatz des gleichen Kapitels (144, 33 f.), an den sofort
der Beginn des folgenden 23. Kapitels anknüpft (145, 2f.) und noch das
24. Kapitel anschließt (151, 5f.: „Phänomen des aesthetischen Zuschauers“).
145, 2 f. dem wahren aesthetischen Zuhörer] Vgl. den Überblickskommentar zu
diesem Kapitel und NK 151, 2-6.
145, 6-8 seinen historischen, auf strenge psychologische Causalität gerichteten
Sinn] In Verbindung mit der Vorstellung von einer „psychologischen Causali-
tät“ erhält der Begriff „historisch“ hier seinen alten, vom griechischen Wort
ioTopiot abgeleiteten Sinn: „Erzählung“, die als solche nicht nur einen äußeren,
sondern auch einen inneren Kausalnexus haben muß, wie insbesondere Aristo-
teles bei seiner Erläuterung des ebenfalls als (sagenhafte) Erzählung definier-
ten „Mythos“ bemerkt. Das in diesem Kontext von N. mehrmals hervorgeho-
bene „Wunder“ zielt dagegen auf ein entlinearisiertes, d. h. nicht auf den
,Faden4 der Erzählung fixiertes „ästhetisches“ Erleben.
145,12 f. den Mythus, das zusammengezogene Weltbild] Im Sinne einer nur
mystisch zu erlebenden Totalität (,Totum simul4), die sich noch nicht diskursiv
und temporal ausdifferenziert hat.
145, 24-27 Die Bilder des Mythus [...] an deren Zeichen der Mann sich sein
Leben und seine Kämpfe deutet] In diesem Passus erscheint der „Mythus“ als
bildhaft sinnstiftende Zeichen-Ordnung. Am Beginn des folgenden Abschnitts
kontrastiert N. damit eine Tendenz zum ,Abstrakten4 in der modernen Zivilisa-
tion.
145, 27 f. selbst der Staat kennt keine mächtigeren ungeschriebnen Gesetze]
Anspielung auf die Sophokleische Antigone, die sich auf die „ungeschriebenen
Gesetze“ (aypanTOt vöpipa, V. 453-55) beruft, damit aber in Gegensatz zum
,positiven4 Recht des Staats gerät.
145, 31-146, 2 Man stelle jetzt daneben den abstracten, ohne Mythen geleiteten
Menschen, die abstracte Erziehung, die abstracte Sitte, das abstracte Recht, den
abstracten Staat: man vergegenwärtige sich das regellose, von keinem heimi-
schen Mythus gezügelte Schweifen der künstlerischen Phantasie] Die Ablehnung
von (Verstandes-)Abstraktionen, die bei N. weitgehend mit der Kritik am „theo-
retischen Menschen“ und am Sokratismus zusammenfällt, ist schon ein Grund-
zug von Herders Sturm- und- Drang-Schriften, die N. früh rezipierte, und bei
Hamann, den er selbst zwar erst 1873 las, aber aus Goethes Darstellung in
Dichtung und Wahrheit schon kannte. Eine Hauptquelle N.s ist Friedrich Schle-
gels Gespräch über die Poesie, insbesondere die darin enthaltene Rede über die
Mythologie. Deren Ziel ist es, das, wie N. sagt, ungezügelte „Schweifen der
künstlerischen Phantasie“ als besondere Gefahr der beginnenden Romantik zu
geboren“, dann im Schlußsatz des gleichen Kapitels (144, 33 f.), an den sofort
der Beginn des folgenden 23. Kapitels anknüpft (145, 2f.) und noch das
24. Kapitel anschließt (151, 5f.: „Phänomen des aesthetischen Zuschauers“).
145, 2 f. dem wahren aesthetischen Zuhörer] Vgl. den Überblickskommentar zu
diesem Kapitel und NK 151, 2-6.
145, 6-8 seinen historischen, auf strenge psychologische Causalität gerichteten
Sinn] In Verbindung mit der Vorstellung von einer „psychologischen Causali-
tät“ erhält der Begriff „historisch“ hier seinen alten, vom griechischen Wort
ioTopiot abgeleiteten Sinn: „Erzählung“, die als solche nicht nur einen äußeren,
sondern auch einen inneren Kausalnexus haben muß, wie insbesondere Aristo-
teles bei seiner Erläuterung des ebenfalls als (sagenhafte) Erzählung definier-
ten „Mythos“ bemerkt. Das in diesem Kontext von N. mehrmals hervorgeho-
bene „Wunder“ zielt dagegen auf ein entlinearisiertes, d. h. nicht auf den
,Faden4 der Erzählung fixiertes „ästhetisches“ Erleben.
145,12 f. den Mythus, das zusammengezogene Weltbild] Im Sinne einer nur
mystisch zu erlebenden Totalität (,Totum simul4), die sich noch nicht diskursiv
und temporal ausdifferenziert hat.
145, 24-27 Die Bilder des Mythus [...] an deren Zeichen der Mann sich sein
Leben und seine Kämpfe deutet] In diesem Passus erscheint der „Mythus“ als
bildhaft sinnstiftende Zeichen-Ordnung. Am Beginn des folgenden Abschnitts
kontrastiert N. damit eine Tendenz zum ,Abstrakten4 in der modernen Zivilisa-
tion.
145, 27 f. selbst der Staat kennt keine mächtigeren ungeschriebnen Gesetze]
Anspielung auf die Sophokleische Antigone, die sich auf die „ungeschriebenen
Gesetze“ (aypanTOt vöpipa, V. 453-55) beruft, damit aber in Gegensatz zum
,positiven4 Recht des Staats gerät.
145, 31-146, 2 Man stelle jetzt daneben den abstracten, ohne Mythen geleiteten
Menschen, die abstracte Erziehung, die abstracte Sitte, das abstracte Recht, den
abstracten Staat: man vergegenwärtige sich das regellose, von keinem heimi-
schen Mythus gezügelte Schweifen der künstlerischen Phantasie] Die Ablehnung
von (Verstandes-)Abstraktionen, die bei N. weitgehend mit der Kritik am „theo-
retischen Menschen“ und am Sokratismus zusammenfällt, ist schon ein Grund-
zug von Herders Sturm- und- Drang-Schriften, die N. früh rezipierte, und bei
Hamann, den er selbst zwar erst 1873 las, aber aus Goethes Darstellung in
Dichtung und Wahrheit schon kannte. Eine Hauptquelle N.s ist Friedrich Schle-
gels Gespräch über die Poesie, insbesondere die darin enthaltene Rede über die
Mythologie. Deren Ziel ist es, das, wie N. sagt, ungezügelte „Schweifen der
künstlerischen Phantasie“ als besondere Gefahr der beginnenden Romantik zu