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Marx, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [VerfasserIn] [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse (1938, 10. Abhandlung): Die Entwicklung der Reflexlehre seit Albrecht von Haller bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts: vorgelegt in der Sitzung am 16. November 1938 — Heidelberg, 1939

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https://doi.org/10.11588/diglit.43756#0028
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28

Ernst Marx:

Vorgang im Lebewesen in keinem begreiflichen Zusammenhang,
das Resultat des Vorgangs im Lebewesen trat auch wieder als
etwas Neues in die Welt hinaus.
Prochaska hat uns gleichfalls eine in sich geschlossene Vor-
stellung vom Menschen gezeigt, dessen Wesen durch die Funk-
tionen von Nervensystem und Nervenkraft mit der starken Be-
tonung des Sensorium commune in der Mitte bestimmt wurde.
Im Mittelteil wurde aus dem äußeren Reiz der innere, der als
Wirkung und neue Ursache bezeichnet wurde. Dieser innere Reiz
war das im nervösen Ablauf ganz eigentlich Neue, er war die
Ursache der Muskelbewegung. Hier besteht also eine deutliche
Caesur des nervösen Prozesses, des Menschen überhaupt. Die
äußeren Eindrücke werden in den Sinnesorganen für die Empfin-
dung modifiziert, der äußere Reiz, der die Wirkung der Kräfte des
reizenden Körpers ist, durchläuft den Nerven, wird zum inneren
Reiz und erhält seine Bestimmung (seine Bestimmung heißt es)
bei der Reflexion im Sensorium commune. Der äußere Eindruck,
der in den Sinnesorganen modifiziert wird, der äußere Reiz, der
die Wirkung der Kräfte des äußeren Körpers ist — der innere
Eindruck oder Reiz, der im Sensorium commune seiner Bestim-
mung in der Peripherie zugeftihrt wird —das gibt den in sich
unterteilten Menschen. Dem beidesmaligen Beginn der nervösen
Aktion, sowohl dem in der Peripherie als dem im Sensorium
commune, wird der Charakter von etwas Objektivem verliehen,
denn die Verwandlung, die der Reiz erfährt, kann weder im
materialistischen noch im idealistischen Denken richtig erfaßt wer-
den, wenn sie in Prochaska’s Art vorstellbar bleiben soll. Auch
dies ist eine Erkenntnis, die sehr viel später wieder berücksich-
tigt werden muß.
Beider Forscher Physiologie war eine Sinnesphysiologie ge-
wesen. Sinnesphysiologie bedeutet hier nur, daß die Rezeption
der äußeren Welt mit spezifischen Sinneswerkzeugen erfolgte und
daß die Äußerung des Menschen in die Welt hinaus auch in für
das tierische Lebewesen spezifischer Weise vor sich ging, näm-
lich durch die Muskelbewegung. Man nahm den Menschen als
Schöpfung, nahm keine gedankliche Nachkonstruierung an ihm
vor, sah ihn naiv und ließ den Menschen, der geistig die
Welt verändert, aus der Betrachtung der Physiologie heraus.
 
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