Metadaten

Marx, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [VerfasserIn] [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse (1938, 10. Abhandlung): Die Entwicklung der Reflexlehre seit Albrecht von Haller bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts: vorgelegt in der Sitzung am 16. November 1938 — Heidelberg, 1939

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.43756#0073
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
73

Entwicklung der Reflexlehre
Wesen nach aber reflektiert, sagt Hall. Danach könnte man versucht
sein, sie mit den Empfindungs-Willkür-Bewegungen zu vergleichen,
aber Hall hat zwischen beiden nur die Unterschiede gesehen.
Zwischen Empfindung und Bewegung gibt es nach ihm keine
einfache Verbindung — Empfindung kann Bewegung nur
durch Willen oder durch Affekte hervorbringen —, bei den Re-
flexbewegungen gibt es aber eine solche Verbindung eben in
der Reflexion, die anatomisch und physiologisch fassbar ist. Die
periphere Erregung sinktvon der möglichen Stufe der
Empfindungsähnlichkeit zur bloßen Erregung herab,
es sind diese Reflexbewegungen „excito-motorische“ Bewegungen.
Hall hat zwei Nervensysteme für seine beiden prinzipiell ver-
schiedenen Bewegungsarten angenommen, eines für Empfindung
mit Willkürbewegung, eines für die Excito-motorik. Beim leben-
den Wesen aber sind Empfindung und Willkürbewegung somit
dem Rückenmark, das das Zentralorgan der Excito-motorik ist,
verbunden, daß Unterscheidungen nur schwer möglich sind, aber
nach Decerebrierung sind das Rückenmark und seine Nerven
wohl imstande, vorher willkürliche Bewegungen als Reflexbe-
wegungen auszuführen. Die Excito-motorik wird ihrerseits von
Wille und Affekt beeinflußt. In vivo hat die Excito-motorik be-
stimmte Funktionen (nach Hall). Sie unterhält den Muskeltonus,
reguliert die Sphinkteren, dirigiert die Augenlidbewegungen, sie
ist auch im Spiele beim Niesen, Husten usw., also bei Verrich-
tungen, die „in der tierischen Ökonomie nicht vorgesehen sind“,
deren Auftreten auf eine „krankhafte Erregung“ hindeutet. —
Hall hebt bei den Reflexbewegungen folgendes besonders
hervor: bei den Tieren, die man zu ihrem Nachweis präpariert
hat, ist das Gehirn mit der Med. obl. entfernt worden; man muß
bedenken, ,daß Empfindung nur Muskelbewegung veranlaßt durch
Erregung des Willens, daß aber bei diesen Versuchen der Wille,
jedoch nicht die Fähigkeit zu Bewegungen zerstört ist, und daß
bei Vernichtung des Willens und Ausschließung der Empfin-
dung äußere Einflüsse, die sonst Schmerz hervorgerufen hätten,
eine andere Eigentümlichkeit des Nervensystems entwickelten —
eine andere als die, Eindrücke zum Bewußtsein zu bringen’. Auf
diese letzte Bemerkung kommt es hauptsächlich an. Hall fährt
darauf ungefähr so fort: Abwesenheit spontaner Bewegungen
beweist Vernichtung des Willens. Wenn dieser fehlt, fehlt auch
der Beweis, daß bewußte Empfindungen die auf Reize beobach-
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften