Entwicklung cler Reflexlehre
89
von einer spekulierenden Naturphilosophie. Er hat Kenntnisse ge-
geben, die den skeptischen Standpunkt eines rationalistisch den-
kenden Forschers dartun. —
Johannes Müller hielt die Reizbarkeit der Nerven für direkt
abhängig von den Zentralteilen. „Diese Eigentümlichkeit der orga-
nischen Körper (eben die Reizbarkeit = Irritabilität) ist auch den
Nerven eigen, und die allgemeinen und verschiedenen Kräfte der
Nerven kommen überall durch Reize zur Erscheinung. Die Auf-
gabe des Physiologen ist aber, nicht allein die Gesetze dieser
allgemeinen Eigenschaft zu ergründen, . . . sondern die eigentüm-
lichen Kräfte, welche gereizt werden können, selbst zu unter-
suchen“. „Reizbarkeit haben“ definiert er an einer anderen Stelle
mit: fähig sein, auf Reize Zuckungen der Muskeln zu bewirken,
- und diese Fähigkeit bezeichnet er an der betreffenden Stelle
als abhängig von den Zentralorganen; und wieder anderswo ver-
weist er ausdrücklich auf diese Fähigkeit und dieses funktionale
Verhältnis der motorischen Nerven und nennt es für alle Nerven
gültig, natürlich in sinnvoller Abwandlung gedacht. — In dem
kleinen Kapitel seines Buches: „Von der verschiedenen Aktion
der sensiblen und motorischen Nerven“ steht auch das eben
Wiedergegebene — die darin gestellte und nicht beantwortete
Frage aber lautet: „ist die Kraft der motorischen Nervenfasern
qualitativ verschieden von der Kraft der sensiblen; oderist, was
als verschiedene Kräfte sich dokumentiert („. . ., was hier ver-
schiedene Kräfte genannt werden, . . .“) bloß die verschiedene
Richtung der nervösen Wirkung?“ Einige Seiten nachher erweitert
er anscheinend die Frage noch und setzt hinzu: „ist die Quelle
der qualitativen Empfindungen im Gehirn und Rückenmark, sind
die sensiblen Nerven die Exzitatoren dafür, die motorischen Ner-
ven aber die Exzitatoren für die Muskelkraft?“ Er findet schließ-
lich für die Empfindungsnerven im weiteren Verlauf des Buches
ihre eigentümlichen Kräfte, Qualitäten oder Energien, wie
der Terminus bei ihm seitdem lautet. — Dies sind die Voraus-
setzungen und die sich daraus klar ergebenden Fragen, wir müssen
die Diskussion darüber gleich anschließen: Die Erhaltung der
Reizbarkeit der motorischen Nerven war nur durch ihre Verbindung
mit den Zentralteilen möglich, das gleiche gilt für alle anderen
Nerven — daran kann und will Johannes Müller nicht rütteln,
aber (und damit schließt das Kapitel über die Aktionen) dann
muß eben eine „zentrifugale Ausstrahlung von den Zentralteilen
89
von einer spekulierenden Naturphilosophie. Er hat Kenntnisse ge-
geben, die den skeptischen Standpunkt eines rationalistisch den-
kenden Forschers dartun. —
Johannes Müller hielt die Reizbarkeit der Nerven für direkt
abhängig von den Zentralteilen. „Diese Eigentümlichkeit der orga-
nischen Körper (eben die Reizbarkeit = Irritabilität) ist auch den
Nerven eigen, und die allgemeinen und verschiedenen Kräfte der
Nerven kommen überall durch Reize zur Erscheinung. Die Auf-
gabe des Physiologen ist aber, nicht allein die Gesetze dieser
allgemeinen Eigenschaft zu ergründen, . . . sondern die eigentüm-
lichen Kräfte, welche gereizt werden können, selbst zu unter-
suchen“. „Reizbarkeit haben“ definiert er an einer anderen Stelle
mit: fähig sein, auf Reize Zuckungen der Muskeln zu bewirken,
- und diese Fähigkeit bezeichnet er an der betreffenden Stelle
als abhängig von den Zentralorganen; und wieder anderswo ver-
weist er ausdrücklich auf diese Fähigkeit und dieses funktionale
Verhältnis der motorischen Nerven und nennt es für alle Nerven
gültig, natürlich in sinnvoller Abwandlung gedacht. — In dem
kleinen Kapitel seines Buches: „Von der verschiedenen Aktion
der sensiblen und motorischen Nerven“ steht auch das eben
Wiedergegebene — die darin gestellte und nicht beantwortete
Frage aber lautet: „ist die Kraft der motorischen Nervenfasern
qualitativ verschieden von der Kraft der sensiblen; oderist, was
als verschiedene Kräfte sich dokumentiert („. . ., was hier ver-
schiedene Kräfte genannt werden, . . .“) bloß die verschiedene
Richtung der nervösen Wirkung?“ Einige Seiten nachher erweitert
er anscheinend die Frage noch und setzt hinzu: „ist die Quelle
der qualitativen Empfindungen im Gehirn und Rückenmark, sind
die sensiblen Nerven die Exzitatoren dafür, die motorischen Ner-
ven aber die Exzitatoren für die Muskelkraft?“ Er findet schließ-
lich für die Empfindungsnerven im weiteren Verlauf des Buches
ihre eigentümlichen Kräfte, Qualitäten oder Energien, wie
der Terminus bei ihm seitdem lautet. — Dies sind die Voraus-
setzungen und die sich daraus klar ergebenden Fragen, wir müssen
die Diskussion darüber gleich anschließen: Die Erhaltung der
Reizbarkeit der motorischen Nerven war nur durch ihre Verbindung
mit den Zentralteilen möglich, das gleiche gilt für alle anderen
Nerven — daran kann und will Johannes Müller nicht rütteln,
aber (und damit schließt das Kapitel über die Aktionen) dann
muß eben eine „zentrifugale Ausstrahlung von den Zentralteilen