Neue Untersuchungen über flüssige Kristalle. II.
(A. 13)5
welche Kristalle zeigt, wie sie sich aus einer Lösung in ge-
schmolzenem Jodkalium bilden, beigefügt (Fig. 2). Photographie
der in der reinen Schmelze sich bildenden Kristalle ist wegen
der dunkelroten Farbe der Lösung nicht möglich. Auch hei der
Lösung in Jodkalium konnten wegen der Notwendigkeit, stärkere
Vergrößerung anzuwenden, keine Momentphotographien erhalten
werden, was nötig wäre, da sich die Kristalle auch hei kon-
stanter Temperatur infolge einer Löslichkeitsanomalie beständig
ändern und zerfallen. Die Ränder erscheinen deshalb in Fig. 2
unscharf. Bei direkter Beobachtung ist dies nicht der Fall, und
öfters kann man ringsum symmetrisch ausgebildete Wachstums-
formen wie Fig. 3 erkennen. Schon hieraus schloß ich bei
meinen ersten Versuchen (1876), da mir mikroskopische Pola-
risationseinrichtung noch nicht zur Verfügung stand, das System
müsse das reguläre, die Form das Oktaeder sein. Später konnte
ich dann durch Beobachtung zwischen gekreuzten Nicols kon-
statieren, daß die Kristalle in der Tat, dieser Annahme gemäß,
das Licht nicht doppeltbrechen.
Fortgesetzte Untersuchungen gaben nun aber zu eigenartigen
Bedenken Anlaß. Die wachsartig weiche Konsistenz dieser re-
gulär kristallisierenden Modifikation hatte, ehe ich auf ihre kri-
stallinische Natur durch die mikroskopische Beobachtung auf-
merksam geworden war, zu der Auffassung geführt, sie sei zäh-
flüssig amorph. Jedenfalls dürfte die Existenz vollkommener
Elastizität, einer auch nur minimalen Elastizitätsgrenze, ausge-
schlossen sein. Ist die Masse kristallinisch, so muß sie dem-
gemäß aus flüssigen Kristallen bestehen, denn ein Stoff,
welcher Kohäsion, aber keine Elastizitätsgrenze besitzt, wird
„Flüssigkeit" genannte) Dies widersprach aber der üblichen
Definition des kristallisierten Zustandes, welche beispielsweise
in der um jene Zeit erschienenen physikalischen Kristallographie
von P. GROTH (meines hochverehrten Lehrers) in folgenden
Worten gegeben ist?): „So können wir einen Kristall am besten
definieren, als einen festen Körper, dessen Elastizität nach allen
parallelen Richtungen gleich, nach verschiedenen dagegen ver-
schieden ist". Elastizität, d. h. vollkommene Elastizität, nicht
unvollkommene, die auch Flüssigkeiten zukommt, gehört hiernach
6) Literatur siehe 0. LEHMANN, FhrssÜ7<? 1904, S. 36ff.
?) P. GROTH, PAysPcah PWgAzPor??*., Leipzig 1876, S. 6, ebenso in der
1885 erschienenen 2. AufL, S. 7.
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welche Kristalle zeigt, wie sie sich aus einer Lösung in ge-
schmolzenem Jodkalium bilden, beigefügt (Fig. 2). Photographie
der in der reinen Schmelze sich bildenden Kristalle ist wegen
der dunkelroten Farbe der Lösung nicht möglich. Auch hei der
Lösung in Jodkalium konnten wegen der Notwendigkeit, stärkere
Vergrößerung anzuwenden, keine Momentphotographien erhalten
werden, was nötig wäre, da sich die Kristalle auch hei kon-
stanter Temperatur infolge einer Löslichkeitsanomalie beständig
ändern und zerfallen. Die Ränder erscheinen deshalb in Fig. 2
unscharf. Bei direkter Beobachtung ist dies nicht der Fall, und
öfters kann man ringsum symmetrisch ausgebildete Wachstums-
formen wie Fig. 3 erkennen. Schon hieraus schloß ich bei
meinen ersten Versuchen (1876), da mir mikroskopische Pola-
risationseinrichtung noch nicht zur Verfügung stand, das System
müsse das reguläre, die Form das Oktaeder sein. Später konnte
ich dann durch Beobachtung zwischen gekreuzten Nicols kon-
statieren, daß die Kristalle in der Tat, dieser Annahme gemäß,
das Licht nicht doppeltbrechen.
Fortgesetzte Untersuchungen gaben nun aber zu eigenartigen
Bedenken Anlaß. Die wachsartig weiche Konsistenz dieser re-
gulär kristallisierenden Modifikation hatte, ehe ich auf ihre kri-
stallinische Natur durch die mikroskopische Beobachtung auf-
merksam geworden war, zu der Auffassung geführt, sie sei zäh-
flüssig amorph. Jedenfalls dürfte die Existenz vollkommener
Elastizität, einer auch nur minimalen Elastizitätsgrenze, ausge-
schlossen sein. Ist die Masse kristallinisch, so muß sie dem-
gemäß aus flüssigen Kristallen bestehen, denn ein Stoff,
welcher Kohäsion, aber keine Elastizitätsgrenze besitzt, wird
„Flüssigkeit" genannte) Dies widersprach aber der üblichen
Definition des kristallisierten Zustandes, welche beispielsweise
in der um jene Zeit erschienenen physikalischen Kristallographie
von P. GROTH (meines hochverehrten Lehrers) in folgenden
Worten gegeben ist?): „So können wir einen Kristall am besten
definieren, als einen festen Körper, dessen Elastizität nach allen
parallelen Richtungen gleich, nach verschiedenen dagegen ver-
schieden ist". Elastizität, d. h. vollkommene Elastizität, nicht
unvollkommene, die auch Flüssigkeiten zukommt, gehört hiernach
6) Literatur siehe 0. LEHMANN, FhrssÜ7<? 1904, S. 36ff.
?) P. GROTH, PAysPcah PWgAzPor??*., Leipzig 1876, S. 6, ebenso in der
1885 erschienenen 2. AufL, S. 7.