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Lieske, Rudolf; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse: Abteilung B, Biologische Wissenschaften (1912, 6. Abhandlung): Untersuchungen über die Physiologie denitrifizierender Schwefelbakterien — Heidelberg, 1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.37620#0022
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22 (B. 6)

Rudolf Lieske:

Sauerstoff. Die meisten der bisher untersuchten autotrophen
Organismen sind also streng aerob, sie brauchen den Sauerstoff
unbedingt für ihren Assimilationsprozeß.
Die in der vorliegenden Arbeit beschriebene Bakterienart
ist fähig, ohne die Gegenwart von freiem Sauerstoff zu gedeihen.
Die Bakterien müssen sich den Oxydationssauerstoff erst selbst
durch Reduktion von Salpeter gewinnen. Die Reduktion des
Salpeters ist von vielen Bakterienarten bekannt. Der beschriebene
Organismus reduziert Salpeter bis zu freiem Stickstoff, nicht da-
gegen Nitrit, das von vielen Bakterien leichter als Nitrat re-
duziert wird.
Der Reduktionsprozeß ist ein endothermer Vorgang, er er-
fordert also Zufuhr von Energie. Diese Energie wird von den
gewöhnlichen denitrifizierenden Bakterien gewonnen aus orga-
nischer Substanz. In anorganischer Nährlösung ist also bei ihnen
eine Denitrifikation ausgeschlossen. Die beschriebene Bakterien-
art denitrifiziert in anorganischer Nährlösung. Es muß also eine
andere Energiequelle vorhanden sein, die an Stelle der orga-
nischen Substanz tritt. Diese Energiequelle, die außerdem noch
die Energie für die chemosynthetische Assimilation der Kohlen-
säure liefern muß, ist der Schwefel und einige seiner Verbin-
dungen. . Man kann allerdings auch annehmen, daß die Reduktions-
energie aus der organischen Substanz gewonnen wird, die von
den Bakterien durch die chemosynthetische Assimilation gebildet
wurde. Durch exakte Beobachtungen konnte keine dieser An-
nahmen bewiesen werden.
Daß sich' geringe Mengen von freiem Sauerstoff an der Oxy-
dation der Schwefelverbindungen beteiligen können, geht aus den
quantitativen Analysen hervor. Diese Einwirkung des Sauer-
stoffes kann jedoch als ein rein chemischer Vorgang erklärt werden
und braucht mit dem Stoffwechsel der Bakterien nicht in Zu-
sammenhang zu stehen.
Als oxydierbare Substanz wurde den Kulturen zunächst
Natriumthiosulfat zugesetzt. Daß die Bakterien durchaus nicht
auf dieses Salz angewiesen sind, ergab sich bald durch weitere
Untersuchungen. Die meisten Versuche wurden mit Natriumthio-
sulfat ausgeführt, weil dasselbe leicht in reinstem Zustande er-
halten werden kann und ein besonders schnelles Wachstum ergibt.
In der Natur dürfte das Thiosulfat wohl nur eine untergeordnete
Rolle für den Stoffwechsel des Organismus spielen.
 
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