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Liebich, Bruno [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 15. Abhandlung): Zur Einführung in die indische einheimische Sprachwissenschaft, 2: Historische Einführung und Dhātupātha — Heidelberg, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.37692#0046
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42

Bruno Liebich:

54 Wir kommen nun zu der Frage, welcher Zwischenraum
zwischen dem Väj. Prät. und Panini anzunehmen ist, eine Frage,
über die sich der Herausgeber A. Weber an verschiedenen Stellen
seiner Schriften verschieden geäußert hat. Besonderes Gewicht
mißt er in diesem Zusammenhang dem Umstand bei, daß Kätyä-
yana (V. Pr. I, 55, s. oben § 46) der Zeitbestimmung der kurzen,
langen und überlangen Vokale die a-Reihe zugrunde legt, Panini
dagegen die u-Reihe; er sieht darin einen Beweis für die zu Panini’s
Zeit eingetretene Verdunkelung des kurzen a, und ist nur im
Zweifel, ob diese Abweichung gegenüber dem Prätisäkhva örtliche
oder zeitliche Gründe habe. Im letzteren Fall müßte die Differenz
zwischen beiden ziemlich beträchtlich sein, im ersteren machen
die identischen und ähnlichen Sütra Schwierigkeit. Über das Un-
zulässige aller dieser Kombinationen hat sich schon Goldstücker
(Panini p. 191) in der bekannten witzigen Weise geäußert, übrigens
ohne seinerseits einen positiven Erklärungsgrund für Panini’s tat-
sächliche Abweichung von dem Natürlichen und Gegebenen bei-
zusteuern. Der Wortlaut des panineischen Sütra ist durch die
Diskussion im Mahäbhäsya gesichert; aber auch Kätyäyana und
Patanjali schweigen über diesen Punkt. Erst bei Bhattoji in der
Praudhamanoramä finde ich eine Lösung des Rätsels, die zum
mindesten originell ist: er meint, der Sütrakära habe die u-Reihe
gewählt, um auf den wohlbekannten Ruf des Hahnes hinzuweisen
(kukkutarute ukärasya prasiddhatväd akärädayo noktäh sütra-
kärena). Ob wir hier eine echte, durch sisyaparamparä bis auf
Panini selbst zurückgehende mündliche Überlieferung vor uns
haben, mag dahingestellt bleiben. Richtig ist, daß man im Ruf
des Hahnes drei Silben oder Absätze unterscheiden kann, von
denen jeder folgende länger ist als der vorhergehende. Daß man
auch sonst die Länge der Vokale durch Tierstimmen zu messen
liebte, zeigt V. 49 der Päniniya-Siksä, wonach der Ruf des Hähers
eine Mäträ lang ist, der der Krähe zwei, des Pfaues drei, der
Pfiff des Mungos (nakula) eine halbe. Und schließlich: mag man
aus der Klangfarbe des Hahnenrufes ein i heraushören wie wir,
ein o wie der Franzose (co-co-ri-co), oder ein u wie der Lateiner
(cucurire), Grieche (neugriech. koukouryzein) und Inder (kukkuta
M.), so wird man doch darin einig sein, daß Panini, wenn er eine
solche Anspielung bezweckte, die a-Reihe in der Tat nicht bei-
behalten konnte. Es wird sich also auch eine plausiblere Er-
klärung wohl schwerlich finden lassen.
 
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