Kallist und Tertullian.
33
aufnahme, nicht von freiwilligem Fernbleiben1. Diese Aussage ist
ihm nicht widerlegt worden, er kann sie in De pud. eindringlich
wiederholen und sagen, daß hei Glaubensverleugnung in der Ver-
folgung und bei Mord (noch immer) die Wiederaufnahme versagt
werde, während (jetzt) die Unzucht aus der Dreizahl der Haupt-
sünden ausgeschieden worden sei. Ja wenn Tertullian De pud.
6, 10 die Vergebung bei gesteigerter Unzucht, nämlich hei Blut-
schande, Unzucht mit Blutschande, Ehe mit einer Hure, gleich-
zeitiger Vielehe ebenso als künftige Folge des verhängnisvollen
Erlasses bezeichnet, wie die Vergebung bei Götzendienst und
Mord, so setzt dies wohl wieder voraus, daß auch diese Folge bis
dahin noch nicht tatsächlich eingetreten war, das ,,ego et moe-
chiae et fornicationis delicta paenitentia functis dimitto“ also
im engeren Sinne, von Ehebruch und einfacher Unzucht, genom-
men wurde und bei erschwerter und widernatürlicher Unzucht die
Aufnahme noch immer verweigert wurde — ebenso verweigert
wurde, wie bei gleichzeitiger Mehrehe, die im gleichen Zusammen-
hang genannt ist2.
Auch die bereits erwähnten Ausführungen Tertullians, De pud.
1, 15, daß die Katholiken bei Fleischessünden sich um so weniger
hätten zur Lossprechung verstehen dürfen, als sie ja in der ,,multinu-
bentia“ ein Schutzmittel dagegen hätten, lassen durchblicken, daß
1 Vgl. das oben (S. 26f.) zu De cor. mit c. 11 Bemerkte. — Auch die von
Vanbeck angeführten Stellen sprechen nicht für eine Wiederaufnahme der
Gefallenen. Denn De paen. 8, lf. (Essen von Götzenopferfleisch, Apok.
2,20) ist nur von der göttlichen Verzeihung ausdrücklich die Rede und, ob
die kirchliche Begnadigung mitgemeint sei, steht eben in Frage. De pud.
7, 15 aber wird nur die Sünde dessen als kirchlich vergebbar bezeichnet,
der „in ministerium alienae idololatriae aliquas artes adhibuit aut incurio-
sius in verbum ancipitis negationis aut blasphemiae impegit,“ nicht ein durch
die Folter erzwungenes Opfern (das ja nach De pud. 22 nicht vergeben wird).
Wie rasch Tertullian mit dem Vorwurf der Glaubensverleugnung und der
Beihilfe zum Götzendienst zur Stelle ist, zeigen seine Schriften De idol.,
De cor. milit., De spect.; De idol. c. 21 erklärt er, daß ein Christ, der von
einem Heiden im Geschäft oder auf der Straße mit einem Segenswort oder
einer Verwünschung angesprochen werde, worin ein heidnischer Gott vor-
komme, den Ausruf nicht unwidersprochen lassen dürfe.
2 So urteilt auch Ernst Rolffs, Das Indulgenzedikt des römischen
Bischofs Kallist (TU. 11, 3), 1893, 25 ff. Zugleich verweist er auf die canones
66, 70 und 71 von Elvira. Im letztgenannten Kanon werden die stupra-
tores puerorum für immer ausgeschlossen. Vgl. auch H. Achelis, Das Christen-
tum in den ersten drei Jahrhunderten, 1912, II, 99 und Exkurs 64 (S. 426).
Sitzungsberichte der Heidelb. Akad., philos.-hist. Kl. 1919. 22. Abh.
3
33
aufnahme, nicht von freiwilligem Fernbleiben1. Diese Aussage ist
ihm nicht widerlegt worden, er kann sie in De pud. eindringlich
wiederholen und sagen, daß hei Glaubensverleugnung in der Ver-
folgung und bei Mord (noch immer) die Wiederaufnahme versagt
werde, während (jetzt) die Unzucht aus der Dreizahl der Haupt-
sünden ausgeschieden worden sei. Ja wenn Tertullian De pud.
6, 10 die Vergebung bei gesteigerter Unzucht, nämlich hei Blut-
schande, Unzucht mit Blutschande, Ehe mit einer Hure, gleich-
zeitiger Vielehe ebenso als künftige Folge des verhängnisvollen
Erlasses bezeichnet, wie die Vergebung bei Götzendienst und
Mord, so setzt dies wohl wieder voraus, daß auch diese Folge bis
dahin noch nicht tatsächlich eingetreten war, das ,,ego et moe-
chiae et fornicationis delicta paenitentia functis dimitto“ also
im engeren Sinne, von Ehebruch und einfacher Unzucht, genom-
men wurde und bei erschwerter und widernatürlicher Unzucht die
Aufnahme noch immer verweigert wurde — ebenso verweigert
wurde, wie bei gleichzeitiger Mehrehe, die im gleichen Zusammen-
hang genannt ist2.
Auch die bereits erwähnten Ausführungen Tertullians, De pud.
1, 15, daß die Katholiken bei Fleischessünden sich um so weniger
hätten zur Lossprechung verstehen dürfen, als sie ja in der ,,multinu-
bentia“ ein Schutzmittel dagegen hätten, lassen durchblicken, daß
1 Vgl. das oben (S. 26f.) zu De cor. mit c. 11 Bemerkte. — Auch die von
Vanbeck angeführten Stellen sprechen nicht für eine Wiederaufnahme der
Gefallenen. Denn De paen. 8, lf. (Essen von Götzenopferfleisch, Apok.
2,20) ist nur von der göttlichen Verzeihung ausdrücklich die Rede und, ob
die kirchliche Begnadigung mitgemeint sei, steht eben in Frage. De pud.
7, 15 aber wird nur die Sünde dessen als kirchlich vergebbar bezeichnet,
der „in ministerium alienae idololatriae aliquas artes adhibuit aut incurio-
sius in verbum ancipitis negationis aut blasphemiae impegit,“ nicht ein durch
die Folter erzwungenes Opfern (das ja nach De pud. 22 nicht vergeben wird).
Wie rasch Tertullian mit dem Vorwurf der Glaubensverleugnung und der
Beihilfe zum Götzendienst zur Stelle ist, zeigen seine Schriften De idol.,
De cor. milit., De spect.; De idol. c. 21 erklärt er, daß ein Christ, der von
einem Heiden im Geschäft oder auf der Straße mit einem Segenswort oder
einer Verwünschung angesprochen werde, worin ein heidnischer Gott vor-
komme, den Ausruf nicht unwidersprochen lassen dürfe.
2 So urteilt auch Ernst Rolffs, Das Indulgenzedikt des römischen
Bischofs Kallist (TU. 11, 3), 1893, 25 ff. Zugleich verweist er auf die canones
66, 70 und 71 von Elvira. Im letztgenannten Kanon werden die stupra-
tores puerorum für immer ausgeschlossen. Vgl. auch H. Achelis, Das Christen-
tum in den ersten drei Jahrhunderten, 1912, II, 99 und Exkurs 64 (S. 426).
Sitzungsberichte der Heidelb. Akad., philos.-hist. Kl. 1919. 22. Abh.
3