Kallist und Tertullian.
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contrectas, Christum exoras. Aeque illi cum super te lacrimas
agunt, Christus patitur, Christus" patrem deprecatur. Facile im-
petratur semper, quod filius postulat.“ Der ,,Christus“ De pud.
19, 25, der für Todsünden keine Fürbitte mehr einlegt, wäre dem-
nach die „ecclesia“. Daraus folgt aber wieder nicht, daß De paen.
10, 6 eine Verzeihung mit kirchlicher Wiederaufnahme ausge-
sprochen ist, sondern nur die Sicherheit der göttlichen Verzeihung,
deren genauen Zeitpunkt aber niemand angehen kann. Wo Christus
(die Kirche) Fürbitte einlegt, kann es an der göttlichen Verzeihung
nicht fehlen. Bei Todsünden bleibt diese Fürbitte aus, alles steht
bei Gott selber, dem Richter. Man darf wohl auf Verzeihung
hoffen, aber eine Sicherheit gibt es nicht (vgl. auch A. Stahl,
Patristische Untersuchungen, 1901, 250).
Hierin liegt der Gegensatz zwischen De paen. und De pud.
Dort hatte Tertullian die sichere Wirkung der zweiten Buße
vor Gott verkündet und biblisch, namentlich mit den Gleich-
nissen von der verlorenen Drachme, dem verlorenen Schafe und
dem verlorenen Sohne begründet (c. 8). De pud. aber bestreitet er
diese Sicherheit und erklärt die genannten Gleichnisse nicht mehr
von der paenitentia secunda, sondern von der Bekehrung vom
Heidentum oder Judentum zum Christentum und dem Eintritt in
die Kirche durch die Taufe (c. 7 und 8). Und in seinem Eifer und
Ärger schießt er dann übers Ziel hinaus, wie wenn sein Beweis-
satz nicht bloß lautete: de venia Deo reservamus (19, 6), sondern:
eine schwere Sünde nach der Taufe verzeiht Gott kaum mehr.
Jedenfalls will er zeigen, daß es keine Schriftstelle gebe, die eine
solche Verzeihung zusicherte. Während ihm die öffentliche Buß-
leistung De paen. ein zwar langsames und beschwerliches, aber doch
sicheres ,,relevari“, „mundatum reddi“, ,,excusari“, ,,palam absol-
vi“, „restitui“, ,,reconciliari“ war (9,6; 10,8; 7,11 u. 14; 8,4; 12, 7 u.
9), ist sie ihm jetzt nur noch eine ,,publicatio dedecoris“ (De
pud. 1, 21). Dieser Anschauungswechsel Tertullians ist tiefgreifend
genug, um sein Bekenntnis De pud. 1, 10 ff. zu rechtfertigen, auch
ohne daß er früher eine kirchliche Wiederaufnahme der schweren
Sünder bekundet haben müßte. Wenn Tertullian De pud. 1, 21 auch
sagt, daß die ,,publicatio dedecoris“ das einzige sei, was der Sünder
,,ab ecclesia“ zu erwarten habe, so ist daraus wieder nicht zu
schließen, daß er früher das ,,absolvi“ etc. von der Kirche aus-
gehen ließ, sondern nur, daß die Kirche dabei auch beteiligt war.
Das war sie aber schon dadurch, daß sie den Sünder zur Buße
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contrectas, Christum exoras. Aeque illi cum super te lacrimas
agunt, Christus patitur, Christus" patrem deprecatur. Facile im-
petratur semper, quod filius postulat.“ Der ,,Christus“ De pud.
19, 25, der für Todsünden keine Fürbitte mehr einlegt, wäre dem-
nach die „ecclesia“. Daraus folgt aber wieder nicht, daß De paen.
10, 6 eine Verzeihung mit kirchlicher Wiederaufnahme ausge-
sprochen ist, sondern nur die Sicherheit der göttlichen Verzeihung,
deren genauen Zeitpunkt aber niemand angehen kann. Wo Christus
(die Kirche) Fürbitte einlegt, kann es an der göttlichen Verzeihung
nicht fehlen. Bei Todsünden bleibt diese Fürbitte aus, alles steht
bei Gott selber, dem Richter. Man darf wohl auf Verzeihung
hoffen, aber eine Sicherheit gibt es nicht (vgl. auch A. Stahl,
Patristische Untersuchungen, 1901, 250).
Hierin liegt der Gegensatz zwischen De paen. und De pud.
Dort hatte Tertullian die sichere Wirkung der zweiten Buße
vor Gott verkündet und biblisch, namentlich mit den Gleich-
nissen von der verlorenen Drachme, dem verlorenen Schafe und
dem verlorenen Sohne begründet (c. 8). De pud. aber bestreitet er
diese Sicherheit und erklärt die genannten Gleichnisse nicht mehr
von der paenitentia secunda, sondern von der Bekehrung vom
Heidentum oder Judentum zum Christentum und dem Eintritt in
die Kirche durch die Taufe (c. 7 und 8). Und in seinem Eifer und
Ärger schießt er dann übers Ziel hinaus, wie wenn sein Beweis-
satz nicht bloß lautete: de venia Deo reservamus (19, 6), sondern:
eine schwere Sünde nach der Taufe verzeiht Gott kaum mehr.
Jedenfalls will er zeigen, daß es keine Schriftstelle gebe, die eine
solche Verzeihung zusicherte. Während ihm die öffentliche Buß-
leistung De paen. ein zwar langsames und beschwerliches, aber doch
sicheres ,,relevari“, „mundatum reddi“, ,,excusari“, ,,palam absol-
vi“, „restitui“, ,,reconciliari“ war (9,6; 10,8; 7,11 u. 14; 8,4; 12, 7 u.
9), ist sie ihm jetzt nur noch eine ,,publicatio dedecoris“ (De
pud. 1, 21). Dieser Anschauungswechsel Tertullians ist tiefgreifend
genug, um sein Bekenntnis De pud. 1, 10 ff. zu rechtfertigen, auch
ohne daß er früher eine kirchliche Wiederaufnahme der schweren
Sünder bekundet haben müßte. Wenn Tertullian De pud. 1, 21 auch
sagt, daß die ,,publicatio dedecoris“ das einzige sei, was der Sünder
,,ab ecclesia“ zu erwarten habe, so ist daraus wieder nicht zu
schließen, daß er früher das ,,absolvi“ etc. von der Kirche aus-
gehen ließ, sondern nur, daß die Kirche dabei auch beteiligt war.
Das war sie aber schon dadurch, daß sie den Sünder zur Buße