Metadaten

Koch, Hugo; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 22. Abhandlung): Kallist und Tertullian: ein Beitrag zur Geschichte der altchristlichen Bußstreitigkeiten und des römischen Primats — Heidelberg, 1920

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.37699#0061
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Kallist und Tertullian.

57

Adam schreibt (S. 27): „Hippolyts Anklagen gehen ersicht-
lich von der Anschauung aus, daß die Kirche nur eine Kirche
der Heiligen sein dürfe und daß darum Kallist durch den Akt
der Wiederaufnahme bezw. Duldung offenkundiger Sünder einen
Sündennachlaß vorgaukle. Kallist dagegen hält es mit dem
Begriff der καθολική έκκλησόα vereinbar, daß auch unwürdige
Glieder in der Gemeinschaft verbleiben, daß also die Kirchen-
gemeinschaft den Sündennachlaß nicht verbürge, sondern nur
ermögliche.“ Damit gibt er aber selber zu, daß es sich bei Hippolyt
auch um eine „Wiederaufnahme“, um einen vom Ankläger nicht
anerkannten „Sündennachlaß“ handelt und daß bei Hippolyt wie
bei Tertullian Kirchenbegriff gegen Kirchenbegriff steht. Wie aber
Hippolyt, den noch niemand zum Montanismus gerechnet hat,
dazu kam, die Kirche als eine Gemeinde der Heiligen zu fassen
und grobe Sünder auszuschließen, seinen Gegner Kallist aber als
den zu brandmarken, der zuerst der Fleischesschwäche entgegen-
gekommen sei, ist eine Frage, die sich Adam gar nicht gestellt
hat. Zu verstehen ist Hippolyts Standpunkt und Anklage nur,
wenn er den alten Kirchenbegriff und die alte Strenge vertritt,
Kallists grundsätzliche Nachsicht aber etwas Neues war. Somit
war auch in der römischen Kirche die Strenge, nicht, wie Adam
will, die Milde, herkömmlich und damit fällt ein Hauptgrund
Adams gegen die Herkunft des Erlasses aus Rom dahin1.
4. Zum Ergebnis, daß Kallist der Urheber des „Ediktes“
sei, führt uns aber noch eine andere Erwägung. Wir haben im
vorigen Kapitel die zeitliche Reihenfolge De monog., De jejun.,
De pud. festgestellt (S. 31). Nun muß aber schon De monog. unter
Kallist geschrieben sein. Denn in c. 12 dieser Schrift wirft Ter-
tullian den Katholiken vor: „Quot enim et digami praesident apud
vos!“ Von Hippolyt (Phil. IX, 12, 5) erfahren wir aber, daß erst-
mals unter Kalbst digami und trigami Bischöfe, Priester und
Diakonen wurden und nach der Weihe heiratende Geistliche im

tullians und Hippolyts durch manche Theologen erinnert an das bekannte
bibelexegetische „Additionssystem“, das augenscheinliche Doppelberichte auf
verschiedene Ereignisse bezieht. Dieselbe Theologie kann aber wieder in
andern Fällen das Verschiedenartigste und Widerstrebendste in Einklang
bringen.
1 Auf den weiteren Beweis Adams für die afrikanische Herkunft des
Erlasses wird weiter unten (S. 87 ff.) eingegangen werden.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften