Metadaten

Koch, Hugo; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 22. Abhandlung): Kallist und Tertullian: ein Beitrag zur Geschichte der altchristlichen Bußstreitigkeiten und des römischen Primats — Heidelberg, 1920

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.37699#0071
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Kaliist und TertuÜian. 67
exempla ?“ setzt einen vom Schriftsteller kaum beabsichtigten
Sinn des „nunc mihi“ voraus. Tertullian verlangt wohl nicht
ein vor seinen Augen zu wirkendes Wtfnder, sondern will nur sagen,
sein Gegner solle zeigen, daß er auch die Wunderkraft der Pro-
pheten und Apostel überkommen habe, daß diese Wunderkraft
in ihm, auch in der Gegenwart noch, wirksam sei1. Diesen Ge-
danken konnte Tertullian sehr wohl in solch lebhaft zugespitzter
Form ausdrücken. Redet er doch de carne Christi c. 2 den längst
verstorbenen Marcion also an: „Exhibe auctoritatem. Si propheta
es, praenuntia aliquid. Si apostolus, praedica publice. Si apo-
stolicus, cum apostolis senti. Si tantum christianus es, crede quod
traditum est. Si nihil istorum es, merito dixerim, morere(!)“2.
5. Esser hält das „Edikt“ einfach für die Antwort des römi-
schen Bischofs auf eine durch die montanistische Strenge ver-
anlaßte Anfrage des karthagischen Bischofs (vgl. auch BKV.,
Tertullian II, 1915, 366 A. 2) und glaubt, daß der Bußstreit durch
den Erlaß nicht erst hervorgerufen, sondern verschärft worden
sei und Tertullian auch ohne die römische Kundgebung zur Feder
gegriffen hätte. Aber einen zwingenden Beweis hat er auch dafür
nicht erbracht3. Seine Anschauung beruht hauptsächlich auf der von
ihm vorgeschlagenen Lesart in De pud. c. 1: „Adversus hanc (sc.
christianae pudicitiae rationem“) numne dissimulare potuissem ?
Audio etiam edictum esse propositum et quidem peremptorium etc.“
1 „Das Aufhören der apostolischen Wundermacht in irgend einem
Moment der Geschichte war eine weit verbreitete Überzeugung (s. darüber
Origen es an mehreren Stellen). Wundermacht und apostolische Wunder-
macht sind übrigens nicht identisch.“ Harnack, Mission2 I, 376 A. 3.
2 Vgl. Arnob. adv. nat. II, 24: quid in Menone, o Plato, . . sciscitaris?
Lact, de opif. Dei c. 6: quid ais, Epicure? Ähnlich richtet Polemon von
Ilion (um 180 v. Chr.) seine scharfe Polemik direkt an den längst verstorbenen
Timaios von Tauromenion (U. v. Willamowitz-Moellendorf, Die griechische
Literatur und Sprache [Die Kultur der Gegenwart, Teil I, Abt. 8], 1905, 96).
„Guter Dionysius (von Alexandrien), es hat viele Johannes in Ephesus gegeben
und viele Grabmäler mit diesem Namen“ — schreibt J. Haussleiter im
Theol. Litbl., 1896, 468.
3 Daß Tertullian nicht erst durch das „Edikt“ aus der Gemeinschaft
der katholischen Kirche hinausgedrängt wurde, sondern sie schon vorher
aufgegeben hatte oder aus ihr ausgeschlossen worden war, steht außer Zweifel.
Er ist schon De monog. und De jejun. nicht mehr Mitglied der Kirche (s. oben
S. 27ff.). Auch ausDe pud.1,10 („erit igitur, et hic adversus psychicos titulus
etc.“) geht hervor, daß De pud. nicht die erste Streitschrift gegen die „Psy-
chiker“ war (vgl. Esser, BKV., Tertullian II, 379 A. 2).

5*
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften