Kallist und Tertullian.
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lippi oder Thessalonich oder Ephesus, im Grunde völlig gleich-
gestellt. Wer in der Nähe Italiens wohnt, wird sich natürlich an
Rom halten. So ist auch der afrikanischen Kirche das Lehrgewicht
Roms „zur Hand“1. Will einer aber in die Ferne schweifen, so
kann er sich ebensogut an die korinthische oder ephesinische
Kirche wenden. Was die römische Kirche vor andern Apostel-
kirchen auszeichnet, ist lediglich das Martyrium dreier Apostel in
ihrer Mitte2 *.
1 Das bedeutet „praesto est“ (vgl.· De pud. 5, 1: prima lex Dei praesto
est), also nicht, daß die karthagische Kirche „gerade von Rom her sich ihre
apostolische Lehrautorität geholt hatte“, wie Adam in seiner neuesten Schrift
(Das sogen. Bußedikt Kallists, 1917, 49) sagt, auch nicht daß „die römische
Kirche für die karthagische eine besondere Autorität habe, weil Karthago
sein Christentum von Rom empfangen habe“, wie Harnack (Lehrb. d. Dogmen-
geschichte4, 1909, I, 491 A. 2) meint. (Vorsichtiger in Mission2, 1906, I, 399
[3. Aufl., 1915, I, 456]: „Vielleicht liegt darin auch eine Erinnerung, daß das
Christentum von dort nach Karthago gekommen ist, aber nicht einmal das
ist sicher.“ Ähnlich II, 237 A. 1 [3. Aufl., II, 288 A. 1]). Der Grund, warum
Karthago und andere Kirchen (nobis quoque) in einem besonderen Ver-
hältnis zu Rom stehen, liegt lediglich in der örtlichen Nähe (vgl. Langen,
Gesch. d. röm. Kirche bis z. Pontif. Leos I., 1881, 220f. A. 1). Dem „praesto
est“ entspricht in Adv. Marc. IV, 5 das „quid etiam Romani de proximo
sonent“ im Unterschied von den ferner gelegenen Kirchen von Philippi
Thessalonich und Ephesus. Auch „contesserarit“ drückt nicht gerade das
Verhältnis von Mutterkirche und Tochterkirche aus (vgl. c. 20: contesseratio
hospitalitatis und Adv. Marc. IV, 5: universas quae illis de societate sacra-
menti confoederantur). Wenn Tertullian Adv. Val. c. 4 schreibt: „Valentinus
de ecclesia authenticae regulae abrupit,“ so ist damit eben die katholische
Kirche gemeint (vgl. den Fortgang: ad expugnandam veritatem etc.), nicht
etwa noch speziell die römische Kirche, wie Harnack (Dogmengesch.4 I,
409 A. 1 und 487 A. 1) als wahrscheinlich annimmt. Der Abfall geschah
freilich „apud ecclesiam Romanensem“, wo er vorher „in catholicae (al.
catholicam) doctrinam“ geglaubt hatte (De praescr. c. 30). Es ist dieselbe
Sache wie mit „matrix et radix ecclesiae catholicae“ bei Cyprian (H. Koch,
Cyprian und der römische Primat, 1910, 74ff.). Contr. Cels. III, 29sq., wo
die leuchtenden Gestalten der christlichen Kirchen den dunklen Bildern der
politischen έκκλησίαι gegenübergestellt sind, wählt Origines als Beispiele
die Kirchen von Athen, Korinth und Alexandrien, aber gerade nicht die
von Rom.
2 So rührt auch bei Irenäus adv. haer. III, 3, 2 die „potentior princi-
palitas“ der römischen Kirche gegenüber, der (potens) principalitas der andern
Bischofskirchen (nicht bloß der Apostelkirchen), davon her, daß sie „a glorio-
sissimis duobus apostolis Petro et Paulo (al. Paulo et Petro) fundata et consti-
tuta“ ist. Auch ihm bildet nicht gerade die römische Kirche die entscheidende
und ausschlaggebende Macht, sondern die in jeder Bischofskirche vorliegende
apostolische Überlieferung und Glaubenslehre (III, 2, 2. 3, 1), und III, 4, 1
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lippi oder Thessalonich oder Ephesus, im Grunde völlig gleich-
gestellt. Wer in der Nähe Italiens wohnt, wird sich natürlich an
Rom halten. So ist auch der afrikanischen Kirche das Lehrgewicht
Roms „zur Hand“1. Will einer aber in die Ferne schweifen, so
kann er sich ebensogut an die korinthische oder ephesinische
Kirche wenden. Was die römische Kirche vor andern Apostel-
kirchen auszeichnet, ist lediglich das Martyrium dreier Apostel in
ihrer Mitte2 *.
1 Das bedeutet „praesto est“ (vgl.· De pud. 5, 1: prima lex Dei praesto
est), also nicht, daß die karthagische Kirche „gerade von Rom her sich ihre
apostolische Lehrautorität geholt hatte“, wie Adam in seiner neuesten Schrift
(Das sogen. Bußedikt Kallists, 1917, 49) sagt, auch nicht daß „die römische
Kirche für die karthagische eine besondere Autorität habe, weil Karthago
sein Christentum von Rom empfangen habe“, wie Harnack (Lehrb. d. Dogmen-
geschichte4, 1909, I, 491 A. 2) meint. (Vorsichtiger in Mission2, 1906, I, 399
[3. Aufl., 1915, I, 456]: „Vielleicht liegt darin auch eine Erinnerung, daß das
Christentum von dort nach Karthago gekommen ist, aber nicht einmal das
ist sicher.“ Ähnlich II, 237 A. 1 [3. Aufl., II, 288 A. 1]). Der Grund, warum
Karthago und andere Kirchen (nobis quoque) in einem besonderen Ver-
hältnis zu Rom stehen, liegt lediglich in der örtlichen Nähe (vgl. Langen,
Gesch. d. röm. Kirche bis z. Pontif. Leos I., 1881, 220f. A. 1). Dem „praesto
est“ entspricht in Adv. Marc. IV, 5 das „quid etiam Romani de proximo
sonent“ im Unterschied von den ferner gelegenen Kirchen von Philippi
Thessalonich und Ephesus. Auch „contesserarit“ drückt nicht gerade das
Verhältnis von Mutterkirche und Tochterkirche aus (vgl. c. 20: contesseratio
hospitalitatis und Adv. Marc. IV, 5: universas quae illis de societate sacra-
menti confoederantur). Wenn Tertullian Adv. Val. c. 4 schreibt: „Valentinus
de ecclesia authenticae regulae abrupit,“ so ist damit eben die katholische
Kirche gemeint (vgl. den Fortgang: ad expugnandam veritatem etc.), nicht
etwa noch speziell die römische Kirche, wie Harnack (Dogmengesch.4 I,
409 A. 1 und 487 A. 1) als wahrscheinlich annimmt. Der Abfall geschah
freilich „apud ecclesiam Romanensem“, wo er vorher „in catholicae (al.
catholicam) doctrinam“ geglaubt hatte (De praescr. c. 30). Es ist dieselbe
Sache wie mit „matrix et radix ecclesiae catholicae“ bei Cyprian (H. Koch,
Cyprian und der römische Primat, 1910, 74ff.). Contr. Cels. III, 29sq., wo
die leuchtenden Gestalten der christlichen Kirchen den dunklen Bildern der
politischen έκκλησίαι gegenübergestellt sind, wählt Origines als Beispiele
die Kirchen von Athen, Korinth und Alexandrien, aber gerade nicht die
von Rom.
2 So rührt auch bei Irenäus adv. haer. III, 3, 2 die „potentior princi-
palitas“ der römischen Kirche gegenüber, der (potens) principalitas der andern
Bischofskirchen (nicht bloß der Apostelkirchen), davon her, daß sie „a glorio-
sissimis duobus apostolis Petro et Paulo (al. Paulo et Petro) fundata et consti-
tuta“ ist. Auch ihm bildet nicht gerade die römische Kirche die entscheidende
und ausschlaggebende Macht, sondern die in jeder Bischofskirche vorliegende
apostolische Überlieferung und Glaubenslehre (III, 2, 2. 3, 1), und III, 4, 1