74
Hugo Koch:
Immerhin begründet der unmittelbare apostolische Ursprung
der römischen Kirche den abgeleiteten und späteren, und somit
auch den afrikanischen Kirchen gegenüber ein gewisses Ansehen,
wenn dieses auch nicht größer ist, als das anderer unmittelbarer
Apostelkirchen. Worauf sich aber dieses Ansehen bezieht, ist in
De praescr. ganz unzweideutig gesagt: auf die Glaubensregel, die
im unmittelbaren Fortgang des cap. 36 angegeben wird* 1. Die
Aufgabe und der Vorzug der apostolischen Kirchen besteht für
Tertullian in der Bezeugung der Apostellehre, der Glaubensregel.
Ihre Deutung aber trägt die Glaubensregel in sich selber. Nur
die Glaubensregel selbst ist für Tertullian unfehlbar, nicht die sie
lehrende Kirche2. Oberste Macht ist die von den apostolischen
Kirchen und den mit ihnen übereinstimmenden Bischofskirchen
bezeugte Glaubensregel3.
Bezüglich der Glaubensregel herrscht Übereinstimmung, in
andern Fragen kann eine Apostelkirche gegen die andere aus-
gespielt werden. So beruft sich Tertullian De virg. vel. c. 2 für
den Jungfrauenschleier gegenüber der römischen und afrikanischen
Sitte auf den Brauch griechischer Kirchen, ,,quas et ipsi apostoli
vel apostolici viri condiderunt“ (vgl. Harnack, DG.4 I, 490f.).
Und gegen die Lossprechung von Fleischessünden verweist er
auf den vom Apostelbeschluß stammenden Brauch der Kirchen,
bei Götzendienst und Mord die Lossprechung zu verweigern (De
pud. 12, 11). Lossprechung und ,,Kirchenbegriff“ aber haben mit
der regula fidei nichts zu tun, sie gehören zur disciplina4.
schreibt er: Et si de aliqua modica quaestione disceptatio esset, nonne opor-
teret in antiquissimas recurrere ecclesias, in quibus apostoli
conversati sunt, et ab eis de praesenti quaestione sumere quod certum
et re liquidum est ? Ich handle darüber an anderer Stelle.
1 Harnack schreibt in seiner Mission3, 1915, I, 456: ,,In Nordafrika
wußte man zur Zeit Tertullians nur, daß die römische Kirche apostolischen
Ursprungs sei, die eigene nicht, und daß man sich in prinzipiellen kirch-
lichen Fragen an die ,auctoritas‘ jener Kirche halten müsse,“ wobei die
(von mir) gesperrten Worte in der 2. Aufl. (I, 399) noch fehlen.
2 So ganz richtig auch Karl Adam, Der Kirchenbegriff Tertullians,
1907, 45.
3 Ob Tertullian damit das Symbolum oder etwas darüber Hinaus-
gehendes meine, ist strittig. Vgl. Th. Schermann, Die allgemeine Kirchen-
ordnung, frühchristliche Liturgien und kirchliche Überlieferung III, 1916, 84f.
4 Für Optatus von Mileve (contra Parm. Don. I, 10 ed. Ziwsa p. 13),
sind Ketzer solche, die „falsaverunt symbolum, dum alter dixit duos deos,
cum deus unus sit, alter patrem vult in persona filii cognosci etc.“, also ,,theo-
Hugo Koch:
Immerhin begründet der unmittelbare apostolische Ursprung
der römischen Kirche den abgeleiteten und späteren, und somit
auch den afrikanischen Kirchen gegenüber ein gewisses Ansehen,
wenn dieses auch nicht größer ist, als das anderer unmittelbarer
Apostelkirchen. Worauf sich aber dieses Ansehen bezieht, ist in
De praescr. ganz unzweideutig gesagt: auf die Glaubensregel, die
im unmittelbaren Fortgang des cap. 36 angegeben wird* 1. Die
Aufgabe und der Vorzug der apostolischen Kirchen besteht für
Tertullian in der Bezeugung der Apostellehre, der Glaubensregel.
Ihre Deutung aber trägt die Glaubensregel in sich selber. Nur
die Glaubensregel selbst ist für Tertullian unfehlbar, nicht die sie
lehrende Kirche2. Oberste Macht ist die von den apostolischen
Kirchen und den mit ihnen übereinstimmenden Bischofskirchen
bezeugte Glaubensregel3.
Bezüglich der Glaubensregel herrscht Übereinstimmung, in
andern Fragen kann eine Apostelkirche gegen die andere aus-
gespielt werden. So beruft sich Tertullian De virg. vel. c. 2 für
den Jungfrauenschleier gegenüber der römischen und afrikanischen
Sitte auf den Brauch griechischer Kirchen, ,,quas et ipsi apostoli
vel apostolici viri condiderunt“ (vgl. Harnack, DG.4 I, 490f.).
Und gegen die Lossprechung von Fleischessünden verweist er
auf den vom Apostelbeschluß stammenden Brauch der Kirchen,
bei Götzendienst und Mord die Lossprechung zu verweigern (De
pud. 12, 11). Lossprechung und ,,Kirchenbegriff“ aber haben mit
der regula fidei nichts zu tun, sie gehören zur disciplina4.
schreibt er: Et si de aliqua modica quaestione disceptatio esset, nonne opor-
teret in antiquissimas recurrere ecclesias, in quibus apostoli
conversati sunt, et ab eis de praesenti quaestione sumere quod certum
et re liquidum est ? Ich handle darüber an anderer Stelle.
1 Harnack schreibt in seiner Mission3, 1915, I, 456: ,,In Nordafrika
wußte man zur Zeit Tertullians nur, daß die römische Kirche apostolischen
Ursprungs sei, die eigene nicht, und daß man sich in prinzipiellen kirch-
lichen Fragen an die ,auctoritas‘ jener Kirche halten müsse,“ wobei die
(von mir) gesperrten Worte in der 2. Aufl. (I, 399) noch fehlen.
2 So ganz richtig auch Karl Adam, Der Kirchenbegriff Tertullians,
1907, 45.
3 Ob Tertullian damit das Symbolum oder etwas darüber Hinaus-
gehendes meine, ist strittig. Vgl. Th. Schermann, Die allgemeine Kirchen-
ordnung, frühchristliche Liturgien und kirchliche Überlieferung III, 1916, 84f.
4 Für Optatus von Mileve (contra Parm. Don. I, 10 ed. Ziwsa p. 13),
sind Ketzer solche, die „falsaverunt symbolum, dum alter dixit duos deos,
cum deus unus sit, alter patrem vult in persona filii cognosci etc.“, also ,,theo-