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Koch, Hugo; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 22. Abhandlung): Kallist und Tertullian: ein Beitrag zur Geschichte der altchristlichen Bußstreitigkeiten und des römischen Primats — Heidelberg, 1920

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.37699#0097
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Kallist und Tertullian.

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Esser nicht mehr Kallist, sondern den Bischof von Karthago
als den von Tertullian angeredeten Gegner und findet gerade in
der Betonung des Gedankens, daß die dem Petrus gegebene Ge-
walt auf jede mit Petrus (oder mit der Kirche Petri) verwandte
Kirche übergegangen sei, ein Anzeichen dafür, daß nicht der römi-
sche, sondern der Bischof einer andern Kirche der Vater jenes
Gedankens sei. Auch bestätige Tertullian dies selber durch die
Frage: „Quid nunc et ad ecclesiam, et quidem tuam, psychice ?“
Er bestreite zunächst, daß Petrus überhaupt von Christus die
Gewalt der Sündenvergebung erhalten habe, vor allem, daß sie
ein ihm übertragenes apostolisches Amt gewesen sei. Er bestreite
ferner, daß die Worte „quaecumque alligaveris etc.“ sich irgendwie
auf die Kirche bezögen und sein Gegner das Recht habe zu sagen,
die genannte Gewalt sei auf jede mit Petrus in Verbindung
stehende Kirche und deshalb auch auf ihn übergegangen. Handle
es sich um den Bischof von Rom, so sei der Zusatz ,,et quidem
tuam“ grundlos und unverständlich. Diese Deutung werde zu-
dem noch durch den späteren, das Kapitel abschließenden Satz
bestätigt: ,,Et ideo ecclesia quidem delicta donabit, sed ecclesia
spiritus per spiritalem hominem, non ecclesia numerus epis-
coporum.“
Mit dieser neuesten Erklärung, die sich auch Adam (S. 48f.)
aneignet, ist aber Esser vom Regen in die Traufe gekommen.
Denn in c. 21 stehen sich ganz offenkundig nicht etwa Rom und
Karthago (oder eine andere Bischofskirche) gegenüber, sondern
katholische Bischofskirche und montanistische Geisteskirche. Das
,,et quidem tuam“ heißt „und auch noch die deinige“ d. h. deine
Psychikerkirche („psychice“), nicht etwa: auch noch deine
karthagische (nichtrömische) Kirche. Tertullian will nicht etwa,
wie es hei Esser herauskäme, sagen: wenn je eine Kirche die
Gewalt der Sündenvergebung hat, dann kann dies höchstens noch
die Kirche Petri selber d. h. die römische Kirche sein, aber nie-
mals eine andere, mit Petrus (oder der Kirche Petri) nur verwandte,
Kirche1. Vielmehr sagt er: Petrus hat nicht als Amtsperson,
sondern als Geistesmann diese Macht erhalten, und nur Geistes-
männer wie Petrus können sie ausüben, also nicht die katholische
Kirche, die (begrifflich und tatsächlich) im „numerus episcoporum“
besteht, sondern nur die montanistische „ecclesia spiritus per
1 Der EssERsche Gedankengang würde also wieder zu der von Esser
selber mit Recht verworfenen Auffassung von Rolffs zurückführen.
 
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