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Warburg, Aby Moritz; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 26. Abhandlung): Heidnisch-antike Weissagung in Wort und Bild zu Luthers Zeiten — Heidelberg, 1920

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https://doi.org/10.11588/diglit.37732#0007
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Heidnisch-antike Weissagung in Wort und Bild zu Luthers Zeiten. 7

]enkern, die als Gestirnsymbole der methodischen Sterndeutekunst
der ,,künstlichen“ (d. h. wissenschaftlichen) Weissagung unter-
liegen, muß man auch die irdischen Monstra als Schicksalskünder
der ,,wunderlichen“ Weissagung in die Betrachtung einbeziehen.
Diese Scheidung zwischen „künstlicher“ und „wunderlicher“
Weissagung4 müssen wir begreifen und uns deshalb besonders vor
Augen halten, weil sich hier — wie gezeigt werden wird — die
Wege von Luther und Melanchthon trennen. Als Ausgangspunkt
soll hierbei ein bisher unbekannter Brief Melanchthons an den
Astrologen und Historiker Johann Carion aus Bietigheim dienen,
der am kurbrandenburgischen Hofe eine einflußreiche Stellung
einnahm.
II. Heidnisch-antike Elemente in der kosmologischen
und politischen Weltauffassung der Reformationszeit:
Astrologie und Teratologie im Umkreise Luthers.
1. Der Brief Melanchthons an Carion über den Kometen von 1531.
Auf der Suche nach Car io ns Briefen verwies mich die Samm-
lung von Johannes Voigt5 auf das Staatsarchiv zu Königsberg
und diesem verdankte ich die Möglichkeit, eine Reihe von seinen
Briefen in der Hamburgischen Stadtbibliothek studieren zu können.
Dabei fand sich als Beilage ein lateinisches Schreiben, das Me-
lanchthon am 17. August 1531 an ihn richtete. Dank der Freund-
lichkeit von Prof. Flemming in Pforta konnte ich den lateinischen
Text (s. Beilage A. I.) unter Benutzung der Textverbesserungen von
Nikolaus Müller f sicherstellen. Ich gebe hier den ganzen Inhalt
in freier Übersetzung wieder, weil uns jede Einzelheit Melanchthon
überaus anschaulich in seinem für Deutschland so schicksalbestim-
menden Zwiespalt zwischen humanistischer Intellektualität und
theologisch-politischem Reformationswillen zeigt.
Aufschrift: Dem hochgelehrten Herrn Johann Carion, dem
Philosophen, seinem Freund und lieben Landsmann „zu eigen
handen“.
4 Die Kernfrage, inwieweit im Kreis der reformatorischen Humanisten
eine unmittelbare Kenntnis oder bewußte Abwandlung der antiken, stoischen
Theorie von den zwei Arten der Mantik (artificialis und naturalis; xeyyiy.-l]
und axzyyoq bei den griechischen Stoikern) vorliegt, kann hier nicht ein-
gehend behandelt werden. Vgl. dazu Caspar Peucer (Melanchthons Schwieger-
sohn) Comm. de praecip. generibus divinationum (Ausg.Wittenberg 1580), Bl. 6.
5 Briefwechsel der berühmtesten Gelehrten des Zeitalters der Refor-
mation mit Herzog Albrecht von Preußen. (Königsberg 1841.)
 
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