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Künßberg, Eberhard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1926/27, 1. Abhandlung): Rechtssprachgeographie — Heidelberg, 1926

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https://doi.org/10.11588/diglit.38921#0026
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Frh. v. Künssberg:

geringeren lautlichen Abweichungen, aus der Wortwahl kann man
auf die Mundart des Schreibers schließen bzw. auf die Mundart
desjenigen, der das Konzept angefertigt hat. Das war in sehr vielen
Fällen der Empfänger der Urkunde.
Bei den Rechtsquellen entstehen vor allem dann interessante
Probleme, wenn sich Rechtsgebiet und Sprachgebiet nicht decken.
Das kann verschiedene Gründe haben. Einmal, weil das Gebiet,
für das eine Rechtssatzung bestimmt ist, verschiedene Mundarten
umfaßt, oder doch in ihr Gebiet hineinreicht. Dann aber auch,
weil die Rechtssatzung übertragen wird aus ihrem ursprünglichen
Geltungsbereich in ein neues Gebiet mit anderer Mundart. Bei
solchen Rechtsübertragungen namentlich sind sprachliche Miß-
verständnisse naheliegend. Sodann sind aber Mißverständnisse
möglich durch sprachunkundige Ausleger, durch Beamte, die von
anderen Mundarten herkommen. Das mag bisweilen mit ein Grund
dafür gewesen sein, daß die Eingesessenen die fremden Beamten
ablehnten. An diesen Fall ist zu denken, wenn im Gerichtsbuch
für die Oberpfalz39 von 1523 im letzten Titel verordnet wird: „Es
sollen auch hievor begriffen tittl derselben artickl und gesatz nach
jrem lautt und vermög des gewendlichen und landleuffigen Bayrischen
teutschs verstanden und aufgenommen werden, also wo yemandt sich
untersteen wurde, die in gemein oder sonder in ain ander maynung
oder zu misverstand auszelegen, das alsdann derselbe damit nit sol
zugelassen werden, wo auch deshalben aynich jrrung entstuonde, so
sollen wir unser hofmaister, vitzdomb oder Statthalter und rethe darumb
erclerung und entschid zegeben macht und gewalt haben, ongeverde.u
Beispiele für Mißverständnisse wegen Verschiedenheit von
Recht und Sprache lassen sich natürlich schon aus recht frühen
Zeiten beibringen. So beweisen z. B. die fränkischen Handschriften
der Lex Baiuvariorum40, daß die bayerischen Ausdrücke auf frän-
kischer Erde nicht alle verstanden wurden. Gegenüber solchen
Mißverständnissen gibt es zwei Auswege: entweder eine sorgfältige,
gemäßigte Sprache, die sich solcher Worte und Formen bedient,
die nicht auf ein kleineres Gebiet beschränkt sind, oder aber die
Übertragung in den anderen Dialekt. Die rücksichtsvolle Wort-
wahl kann dazu führen, daß man Synonymen nebeneinander ver-
39 Fr. Wilhelm, Bayrisches Deutsch in der bayrischen Verwaltung zur
Reformationszeit (Münchner Museum 4 [1922]), S. 100.
40 Ivralik, Die deutschen Bestandteile der Lex Baiuwariorum (N. Arch.
d. Ges. f. alt. d. Geschichtskunde 38 [1913], 58. 10).
 
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