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Künßberg, Eberhard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1926/27, 1. Abhandlung): Rechtssprachgeographie — Heidelberg, 1926

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https://doi.org/10.11588/diglit.38921#0027
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Rechtssprachgeographie.

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wendet41. Für eine sorgfältige, gemäßigte Sprache oder, wie sie
Roethe42 nennt, temperierte Sprache gibt der Sachsenspiegel das
beste Beispiel ab. Eike von Repgow nannte sein Rechtsbuch
einen Spiegel der Sachsen. Der sächsische Rechtsbereich aber
erstreckte sich nach seiner Ansicht auch nach der Landgrafschaft
Thüringen, der Mark Meissen, der Lausitz, dem Osterland usw.,
also sind da niederdeutsche und hochdeutsche Gebiete neben-
einander gemeint. Für hoch- und niederdeutsche Leser hat er sein
Buch geschrieben. Klugerweise wählte er dabei eine Sprache, die
beiden verständlich blieb. Wohl sind eine Reihe von Fachausdrücken
ausgesprochen niederdeutsch, die er nicht missen wollte, nicht
missen konnte, ja, die er vielleicht auch bewußt weiter verbreiten
wollte, aber im übrigen zeigt sein Buch manches Entgegenkommen
gegenüber dem Hochdeutschen. Das konnte Eike um so leichter
machen, als der Niederdeutsche jener Zeit ja Hochdeutsch von
der Literatursprache her kannte. Roethe spricht sogar die Ver-
mutung aus, daß Eike für die niederdeutschen Abnehmer seines
Buches auch niederdeutsche Fassungen veranstaltet hat. Die
temperierte Sprache machte ja die Übertragung sehr einfach. Doch
sehen wir von dieser Möglichkeit ab, das Eine ist trotzdem gewiß,
daß sich bald nach dem Erscheinen des Sachsenspiegels das Be-
dürfnis herausstellte, ihn für Hochdeutsche ganz ins Hochdeutsche
zu übersetzen. Wir wissen das gleiche von anderen mittelalter-
lichen Autoren.
Bei der Übersetzung eines Textes in eine verwandte Mundart
gibt es anscheinend keine besonderen Schwierigkeiten. Um den
Wortlaut der anderen Mundart anzupassen, genügt ja in der Regel
eine gewisse Lautwandlung. „Das Wort aus dem nächstverwandten
Dialekt erscheint in der Lautform, die es haben würde, wenn es
aus der Zeit der ehemaligen Spracheinheit her sich erhalten
hätte“43.
Nun ist aber gerade darin wieder eine Quelle von Fehlern und
Mißverständnissen gegeben. Der Übersetzer versteht bisweilen den
Urtext doch nicht vollständig und wird durch den Gleichklang
von Wörtern irregeführt, er überträgt mechanisch. Reichliche
Belege dafür lassen sich häufen, wenn man sich die Lesarten der
41 Vgl. oben S. 16.
42 Roethe, Reimvorreden des Sachsenspiegels (Abh. d. Göttinger Ges.
[1899]), S. 70f.
43 H. Paul, Prinzipien der Sprachgeschichte5, S. 402.

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