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Goldschmidt, Richard H.; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1927/28, 6. Abhandlung): Postulat der Farbwandelspiele — Heidelberg, 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.38940#0027
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Postulat der Farbwandelspiele.

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daß deswegen weiter erörtert zu werden braucht, wie etwa das
Bewegungsstreben im besonderen erlebt wird. Jedenfalls ist das
Erleben eines Bewegungs-,,Strebens“ von einem Bewegungs-,,Ein-
druck“ selbst unterscheidbar, gleichviel ob dieser Eindruck nur ein
scheinbarer ist, oder das richtige Abbild einer objektiv dargebo-
tenen Bewegung. Der Eindruck eines Bewegungsstreberis mag einer
Scheinbewegung wohl bisweilen nahe kommen; aber zwischen dem
bloßen Bewegt-sein-,,Wollen“ und dem (auch-nur-scheinbaren-)
bewegt-,,Sein“ bleibt ein tiefgreifender Unterschied; und es drängt
sich weiterhin die besondere Frage auf, ob es nicht den künst-
lerischen Eindruck einer Farbe-Form-Komposition gefährdet, wenn
(beispielsweise durch das Farbschattenspiel-Yerfahren von Hirsch-
feld-Mack, nach 9.) nicht oder nicht nur das Erlebnis eines
Bewegungs-Strebens, sondern das eines bewegt-Seins hervorgerufen
wird ? Verliert der Beschauer hierdurch vielleicht eine für künst-
lerisches Erleben erforderliche Freiheit der subjektiven Ausgestal-
tung des eigenen Eindrucks ? Handelt es sich also etwa um ein
Analogon zu dem Überschreiten der Grenze zwischen Skulpturen-
sammlung und Wachsfiguren-Panoptikum; und bedeutet demnach
ein rascher Wechsel von Farbe-Form-Kompositionen nach dem
Verfahren von Hirschfeld-Mack ein Herausreißen aus dem bild-
mäßigen Ruhezustand (der eigentlich ihrem Wesen entspricht); so,
als ob die Laokoon-Gruppe durch ein Uhrwerk in „wirkliche Be-
wegung“ gesetzt würde?
Oder ist es etwa umgekehrt ? Entspricht dem Wesen der
Farbe-Form-Kompositionen von Hirschfeld-Mack ein Wechsel
oder ein Wandel, wie dem Färb wandelspiel ex definitione ? Und
sind dann die Farbe-Form-Kompositionen abstrakter Malerei ihrem
Wesen nach nur aus einer Bildfolge verständlich, gleichsam Moment-
aufnahmen, die aus ihrer kinematographischen Serie heraus-
gegriffen wurden ?
Jedenfalls gibt es Gemälde, deren Kompositionen eine gleich-
sam rhythmische Aufteilung der Bildfläche erkennen lassen, näm-
lich eine Gliederung durch entsprechende Verteilung der Farben
und durch entsprechende Darstellung der Formen derart, daß
jedem scheinbaren Bewegungsstreben oder jedem Spannungs-
erlebnis eines bestimmten Bildteiles, durch jeweils gegensätzlich
gerichtete eines anderen Bildteiles oder deren mehrerer, die Wage
gehalten wird; die einzelnen Bewegungstendenzen können dabei
eine teils gleiche, teils unterschiedliche Stärke zeigen (etwa analog
 
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