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Goldschmidt, Richard H.; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1927/28, 6. Abhandlung): Postulat der Farbwandelspiele — Heidelberg, 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.38940#0041
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Postulat der Farbwandelspiele.

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Kathedralglasplatten immer wieder durch anders durchmusterte zu er-
setzen; denn eine Aufeinanderfolge unterschiedlicher Kathedralglas-
platten ließ deren einzelne Muster keineswegs zurücktreten, auch
nicht nach Überwindung der Schwierigkeit, den Übergang von einer
vorausgehenden zur nachfolgenden Kathedralglasplatte unbemerk-
bar zu machen. Schon während einer einzigen Hindurchführung der
Kathedralglasplatte durch die Bildbühne in einerlei Richtung (bei-
läufig in ungefähr 1,5—6,6 Sek., durchschnittlich in etwa 3 Sek.,
dann mit einer Geschwindigkeit von 4 cm i. d. Sek.) oder in mehr-
fach wechselnder Richtung (beiläufig in entsprechend längeren Zeiten)
konnte auf der Projektionsfläche das vorbeibewegte Muster in
seiner bestimmten Ausgestaltung bemerkbar werden, um so mehr,
wenn ab und zu ein plötzlicher Wechsel im Formcharakter des
Musters die Aufmerksamkeit gerade auf die einzelnen bestimmten
Muster hinlenkte. Und wenn sich dann noch ein und dasselbe Muster
ab und zu wiederholte, machte sich ihm gegenüber leicht ein Be-
kanntheitsgefühl geltend; hierbei konnte das Muster einen gegen-
ständlichen Charakter gewinnen, sodaß sich Gegenstandsbeziehungen
aufdrängten und eine Hingabe an die Farbe als solche störten. —
Beiläufig erwähnt seien noch Versuche, Kinder im Schul-
unterricht unter dem Eindruck der Musik malen zu lassen (in Jena,
Altona, Schwerin, Wien und Münster i. W.) mit dem Ergebnis,
daß sich in einem Farbengewoge oder in einem Rhythmus farbiger
Linien oder Flächen der Einfluß eines musikalischen Erlebens
zeigen kann, allerdings mit erheblichen individuellen Differenzen,
indem schon Kinder der gleichen Schulklasse trotz gleicher An-
leitung zu recht unterschiedlich gearteter „abstrakter Farbmalerei“
kommen. Diese Unterschiedlichkeit spricht vielleicht für individuell
differente assoziative Einflüsse vom Musikerlebnis zur abstrakten
Farbmalerei, ist aber nicht bereits ein zwingender Beweis für das
völlige Fehlen einer anderen, „unmittelbaren“ Beziehung zwischen
beiden; für eine Erklärung der Unterschiede genügt nämlich schon
die Annahme, daß die Kinder aus der Musik individuell different
das eine oder das andere als wesentlich und als richtunggebend
für ihre Malerei heraushören. (Vgl. 0. Zienau, „Farbenhören als
Unterricht . . .“, „Neue Bahnen“, 1928, Heft 3, XXXIX, sowie
hiernach Korolenko, „Der blinde Geiger“.)

13. Der Rückblick auf bekannte Beispiele für „postulierte
 
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