VII. Ontologie und Logik.
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für ihn von selbst versteht, inwiefern sie „sind“, oder um in unserer
Sprache zu reden, welches Urprädikat ihnen gebührt. Er will viel-
mehr einen Begriff vom Sein der Welt in ihrer Totalität bilden, und
dabei ist die Seinsform nicht minder wichtig als der Seinsinhalt.
Wenn jemand den Inhalt der Welt zu erkennen sucht, muß er
Klarheit auch über die Form ihres Seins besitzen. Ein solches Ziel
wird er jedenfalls dann im Auge haben, wenn er eine universale
Erkenntnis anstrebt, also nicht Gefahr laufen möchte, sich, ohne daß
er es merkt, nur an einen Teil der Welt zu halten und diesen dann,
obwohl er in Wahrheit nur ein Teil des Seienden ist, für das Ganze
oder für „das Sein“ zu erklären. An diesem Fehler leiden sehr Adele
Systeme der Philosophie.
Gewiß genügt andererseits die Erkenntnis der Weltformen
nicht, sondern es bleibt auch für die ontologische Erkenntnis, die
nach der Totalität des Seienden oder nach „dem Sein“ fragt, der
anschauliche Inhalt der verschiedenen Weltteile eminent wesent-
lich. Auch die Ontologie muß, um der Mannigfaltigkeit des
Weltganzen gerecht zu werden, und so in Wahrheit das Ganze zu
erfassen, dessen inhaltliche Mannigfaltigkeit „sehen“ lernen, es also
nicht so machen wie z. B. der hyletische Sensualismus, für den
von vorneherein feststeht, daß aller unmittelbar gegebene anschau-
liche Inhalt der Welt sinnlich wahrnehmbar sei. Aber so wichtig
die Frage nach dem inhaltlichen „Was“ auch für den Ontologen
sein mag, nicht minder wichtig bleibt es, daß er über der Frage, was
die Welt ist, die andere Frage, was die Welt ist, nicht versäumt,
und sobald er an diese Frage nach dem Sein selbst denkt, also
nicht nur das Subjekt, sondern auch das Prädikat, nicht nur den
Inhalt, sondern auch die Form, nicht nur die Anschauung, sondern
auch den Begriff des Seienden berücksichtigt, wird gerade das,
was für den Einzelforscher oft selbstverständlich ist, für ihn zum
wichtigsten Problem. Bei dessen Lösung aber reicht nicht nur
faktisch keine Anschauung aus, wie das für die Lösung jedes
wissenschaftlichen Problems gilt, sondern der Ontologe muß auch
genau wissen, weshalb er mit der Anschauung allein nicht zum
Ziel kommt. Dies Wissen aber ist erst dann vollständig, wenn es
eine Kenntnis aller der unanschaulichen, begrifflichen Formen
einschließt, die zu dem anschaulichen Inhalt der Welt in der Er-
kenntnis über die Welt noch hinzutreten.
Aus diesem Grunde wird nicht nur der Forscher, der zu intui-
tionistischen Tendenzen neigt, dann versagen, wenn er Erkenntnis-
Sitzungsberichte d. Heidelb. Akad., phil.-kist. Kl. 1930/31. 1. Abh,
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für ihn von selbst versteht, inwiefern sie „sind“, oder um in unserer
Sprache zu reden, welches Urprädikat ihnen gebührt. Er will viel-
mehr einen Begriff vom Sein der Welt in ihrer Totalität bilden, und
dabei ist die Seinsform nicht minder wichtig als der Seinsinhalt.
Wenn jemand den Inhalt der Welt zu erkennen sucht, muß er
Klarheit auch über die Form ihres Seins besitzen. Ein solches Ziel
wird er jedenfalls dann im Auge haben, wenn er eine universale
Erkenntnis anstrebt, also nicht Gefahr laufen möchte, sich, ohne daß
er es merkt, nur an einen Teil der Welt zu halten und diesen dann,
obwohl er in Wahrheit nur ein Teil des Seienden ist, für das Ganze
oder für „das Sein“ zu erklären. An diesem Fehler leiden sehr Adele
Systeme der Philosophie.
Gewiß genügt andererseits die Erkenntnis der Weltformen
nicht, sondern es bleibt auch für die ontologische Erkenntnis, die
nach der Totalität des Seienden oder nach „dem Sein“ fragt, der
anschauliche Inhalt der verschiedenen Weltteile eminent wesent-
lich. Auch die Ontologie muß, um der Mannigfaltigkeit des
Weltganzen gerecht zu werden, und so in Wahrheit das Ganze zu
erfassen, dessen inhaltliche Mannigfaltigkeit „sehen“ lernen, es also
nicht so machen wie z. B. der hyletische Sensualismus, für den
von vorneherein feststeht, daß aller unmittelbar gegebene anschau-
liche Inhalt der Welt sinnlich wahrnehmbar sei. Aber so wichtig
die Frage nach dem inhaltlichen „Was“ auch für den Ontologen
sein mag, nicht minder wichtig bleibt es, daß er über der Frage, was
die Welt ist, die andere Frage, was die Welt ist, nicht versäumt,
und sobald er an diese Frage nach dem Sein selbst denkt, also
nicht nur das Subjekt, sondern auch das Prädikat, nicht nur den
Inhalt, sondern auch die Form, nicht nur die Anschauung, sondern
auch den Begriff des Seienden berücksichtigt, wird gerade das,
was für den Einzelforscher oft selbstverständlich ist, für ihn zum
wichtigsten Problem. Bei dessen Lösung aber reicht nicht nur
faktisch keine Anschauung aus, wie das für die Lösung jedes
wissenschaftlichen Problems gilt, sondern der Ontologe muß auch
genau wissen, weshalb er mit der Anschauung allein nicht zum
Ziel kommt. Dies Wissen aber ist erst dann vollständig, wenn es
eine Kenntnis aller der unanschaulichen, begrifflichen Formen
einschließt, die zu dem anschaulichen Inhalt der Welt in der Er-
kenntnis über die Welt noch hinzutreten.
Aus diesem Grunde wird nicht nur der Forscher, der zu intui-
tionistischen Tendenzen neigt, dann versagen, wenn er Erkenntnis-
Sitzungsberichte d. Heidelb. Akad., phil.-kist. Kl. 1930/31. 1. Abh,
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