VIII. Ontologie und Metaphysik.
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ganzen, aber ni ch t Metaphysik zu treiben, um das Sein der Welt
wissenschaftlich zu erkennen; ein Jenseits gehe die Wissenschaft
überhaupt nichts an.
Unter diesen Umständen scheint es zweckmäßig, daß wir für
eine allgemeine Lehre vom ,,Sein der Welt überhaupt“, die sich
nicht von vorneherein darauf festlegt, daß die Welt in ein „wahres“
und ein bloß „erscheinendes“ Sein als in ein Diesseits und ein Jen-
seits zerfalle, auch einen besonderen Namen zu haben, und dafür
eignet sich von allen, die in der philosophischen Terminologie als
gebräuchlich vorliegen, das Wort „Ontologie“ seiner wörtlichen
Bedeutung nach am besten. Allerdings hat man den Ausdruck,
als man ihn zum philosophischen Terminus machte, nicht so ge-
braucht. Wann er überhaupt in der Philosophie auftaucht, ist
unwesentlich. Es war Glauberg, der in seiner „Ontosophia Nova“
zuerst ausdrücklich einen andern Terminus wählte, um ihn an die
Stelle des Wortes „Metaphysik“ zu setzen, aus Gründen, die uns
hier nicht weiter interessieren1. Statt Ontosophie sagte er auch
Ontologie für Metaphysik, und in naher Beziehung zur Meta-
physik ist der Terminus auch später wohl stets geblieben. Das
historische Recht, die Metaphysik Ontologie zu nennen, soll nicht
bestritten werden. Aber das darf uns trotzdem, angesichts der
modernen ontologischen Bestrebungen, die nicht nur nach dem
„ansichseienden“ Jenseits der Welt forschen, nicht hindern, zu
sagen: Ontologie gibt es auch dort, wo entweder eine Darstellung
des übersinnlichen, transzendenten Seins der Welt ausdrücklich ab-
gelehnt wird, oder dort, wo man das Sein der Welt zum Problem
macht, ohne sich damit auf die Trennung in Diesseits und Jen-
seits von vorneherein festzulegen.
Im Grunde ist auch das nur eine terminologische Angelegen-
heit. Doch empfiehlt es sich, schon bei der Namengebung gerade
in bezug auf die Fragen der Ontologie von vorneherein eine gewisse
„Nüchternheit“ zu bevorzugen. Selbst wenn man nicht sogleich
an das „Sein des Seins“ (wohl zu unterscheiden von dem Sein des
Seienden) oder an das „ontos on“ denkt, sondern zunächst nur
vom Sein des Seienden überhaupt, d. h. von der irgendwie als
„seiend“ prädizierten „Welt“ spricht, liegen für die Philosophie
1 Joh. Claubergii Ontosophia nova, quae vulgo Metaphysica, Theologiae
Jurisprudentiae et Philologiae, praesertim germanicae, Studiosisacconunodata.
Siehe namentlich S. 27 der zweiten Ausgabe 1660. Die erste Ausgabe dieser
Schrift war mir nicht zugänglich.
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ganzen, aber ni ch t Metaphysik zu treiben, um das Sein der Welt
wissenschaftlich zu erkennen; ein Jenseits gehe die Wissenschaft
überhaupt nichts an.
Unter diesen Umständen scheint es zweckmäßig, daß wir für
eine allgemeine Lehre vom ,,Sein der Welt überhaupt“, die sich
nicht von vorneherein darauf festlegt, daß die Welt in ein „wahres“
und ein bloß „erscheinendes“ Sein als in ein Diesseits und ein Jen-
seits zerfalle, auch einen besonderen Namen zu haben, und dafür
eignet sich von allen, die in der philosophischen Terminologie als
gebräuchlich vorliegen, das Wort „Ontologie“ seiner wörtlichen
Bedeutung nach am besten. Allerdings hat man den Ausdruck,
als man ihn zum philosophischen Terminus machte, nicht so ge-
braucht. Wann er überhaupt in der Philosophie auftaucht, ist
unwesentlich. Es war Glauberg, der in seiner „Ontosophia Nova“
zuerst ausdrücklich einen andern Terminus wählte, um ihn an die
Stelle des Wortes „Metaphysik“ zu setzen, aus Gründen, die uns
hier nicht weiter interessieren1. Statt Ontosophie sagte er auch
Ontologie für Metaphysik, und in naher Beziehung zur Meta-
physik ist der Terminus auch später wohl stets geblieben. Das
historische Recht, die Metaphysik Ontologie zu nennen, soll nicht
bestritten werden. Aber das darf uns trotzdem, angesichts der
modernen ontologischen Bestrebungen, die nicht nur nach dem
„ansichseienden“ Jenseits der Welt forschen, nicht hindern, zu
sagen: Ontologie gibt es auch dort, wo entweder eine Darstellung
des übersinnlichen, transzendenten Seins der Welt ausdrücklich ab-
gelehnt wird, oder dort, wo man das Sein der Welt zum Problem
macht, ohne sich damit auf die Trennung in Diesseits und Jen-
seits von vorneherein festzulegen.
Im Grunde ist auch das nur eine terminologische Angelegen-
heit. Doch empfiehlt es sich, schon bei der Namengebung gerade
in bezug auf die Fragen der Ontologie von vorneherein eine gewisse
„Nüchternheit“ zu bevorzugen. Selbst wenn man nicht sogleich
an das „Sein des Seins“ (wohl zu unterscheiden von dem Sein des
Seienden) oder an das „ontos on“ denkt, sondern zunächst nur
vom Sein des Seienden überhaupt, d. h. von der irgendwie als
„seiend“ prädizierten „Welt“ spricht, liegen für die Philosophie
1 Joh. Claubergii Ontosophia nova, quae vulgo Metaphysica, Theologiae
Jurisprudentiae et Philologiae, praesertim germanicae, Studiosisacconunodata.
Siehe namentlich S. 27 der zweiten Ausgabe 1660. Die erste Ausgabe dieser
Schrift war mir nicht zugänglich.