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Zweiter ontologischer Teil.

es sei möglich, allen Weltteilen dieselbe Art des Seins als Prä-
dikat beizulegen und so von vorneherein darauf auszugehen, sich
„monistisch“ zu gestalten, d. h. von einem und nur einem „Sein“
der Welt zu reden. Gewiß läßt sich von jedem beliebigen Welt-
teil sagen, daß er „ist“, und dann mag man auch von der Welt
überhaupt „das Sein“ prädizieren, das überall dasselbe, also nur
eines ist. Aber wir wissen aus der Logik des Seins als Prädikat,
daß dieser allgemeinste und insofern „einheitliche“ Begriff des
Seins eine bloße Denkform, also noch keine Erkenntnisform gibt,
und daher kein Sein der Welt bedeutet.
Das sei noch an einem besonderen Punkt gezeigt. Beginnt
man die Ontologie mit dem allgemeinsten Seins-Begriff, dann wird
man, falls man konsequent ist, mit Hegel dazu kommen, das Sein
dem Nichts gleichzusetzen1. Die Denkform „Sein“ ist wegen ihrer
absoluten Allgemeinheit nicht nur „leer“ wie jede Form, sondern
sie darf auch keinen besonderen Inhalt erhalten. Der Satz „die
Welt ist seiend“ käme, wenn „sein“ diese allgemeinste Bedeutung
hat, als ontologische Behauptung auf dasselbe hinaus wie der Satz
„etwas ist seiend“. Dies „etwas“ kann man selbstverständlich
auch „das Seiende“ oder, wenn man will, sogar „die Welt“ nennen,
aber man darf nicht glauben, daß der Satz „die Welt ist seiend“,
dann noch irgendeine gegenständliche Erkenntnis liefert. Von der
Welt wird dadurch allein noch nichts erkannt.
Das ist nach unseren früheren Ausführungen so selbstverständ-
lich, daß es nicht mehr ausdrücklich auseinandergesetzt zu werden
braucht. Doch man sollte es nie vergessen, und es muß immer
wieder gesagt werden, weil man gerade das Selbstverständliche
gern vergißt. Damit, daß etwas „ist“, ist noch gar nichts darüber
„gesagt“, daß es in der Welt ist, denn es gibt nichts, ja es ist nichts
denkbar, was nicht in diesem Sinn „ist“. Ebenso wie wir uns in
der Logik des Erkennens zunächst einmal an konkrete Beispiele
halten mußten, um die logische Struktur der gegenständlich wahren
Sinngebilde zu verstehen, muß auch der Ontologe sich, jedenfalls
zunächst, an besondere Arten des Seins halten, wenn er das
„Sein“ der Welt untersucht. Sonst wird er es nie zu gegenständ-
lichen Erkenntnissen vom Sein der Welt bringen. Nur von den
besonderen Seinsarten aus, welche die Welt zeigt, kann er dann
versuchen, zum allgemeinsten Sein der Welt aufzusteigen, genauer
1 Vgl. über Hegels „Sein“ den letzten Abschnitt dieser Schrift: „Sein
und Nichts“.
 
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