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VIII. Ontologie und Metaphysik.

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libergehen, die Bedeutung der Logik für die Metaphysik im beson-
deren aufzuzeigen, wollen wir das Ergebnis, zu dem wir bisher
gekommen sind, noch von einer anderen Seite her beleuchten und
im Zusammenhang damit zu weit verbreiteten Tendenzen unserer
Zeit Stellung nehmen.
Wir knüpfen dabei an Ausführungen an, die Nicolai Hart-
mann neuerdings gemacht hat. Er gehört zu denen, die mit beson-
derem Nachdruck verlangen, die Philosophie müsse wieder zur
Ontologie werden und dürfe nicht in bloßer Erkenntnistheorie
stecken bleiben. Zugleich fordert er, daß auch die Ontologie „kri-
tisch“ verfahre. Er hat eine Abhandlung mit dem Titel „Wie ist
kritische Ontologie überhaupt möglich ?“ geschrieben, die uns hier
besonders interessiert, da sie sich mit unserm Thema, schon durch
ihre Problemstellung, eng. berühren muß1.
In dieser Schrift sagt Hartmann bereits am Anfang: „ein
theoretisches Denken, das nicht im Grunde ontologisch wäre, hat
nie bestanden und ist ein Ding der Unmöglichkeit. Es liegt eben
im Wesen des Denkens, sich nicht auf nichts, sondern nur auf ein
Seiendes richten zu können“ (S. 125). Dieser Behauptung brauchen
wir nicht zu widersprechen. Wir würden nur statt „Denken“
lieber „Erkennen“ sagen. Die Denkform „Sein“ reicht in der Onto-
logie nicht aus. Abgesehen davon aber glauben wir, daß durch
unsere Prädikatstheorie, wie durch unsere ganze Lehre von der
Struktur der logischen Sinngebilde, nicht nur behauptet, sondern
auch bewiesen ist, weshalb und inwiefern jedes theoretische
„Denken“, genauer: jedes theoretische Erkennen, auf Seiendes sich
richtet, das nicht nur in der allgemeinsten logischen Denkform
des „Seins überhaupt“ steht. Das Denken, das zugleich gegenständ-
liches Erkennen sein will, ist in der Tat notwendig auf das gerichtet,
was ontologisch zum Sein der Welt gehört.
Wir können Hartmann auch dort beipflichten, wo er an
derselben Stelle sagt: „Es hilft nichts, wenn man, um dieser Konse-
quenz zu entgehen, die theoretische Grundfrage auf das Erkenntnis-
problem allein beschränkt. Es ist eine bare Selbsttäuschung, wenn
man auf diese Weise der Seinsfrage zu entgehen meint. Man erreicht
gerade das Gegenteil. Es gibt keine Erkenntnisfrage ohne Seins-
frage. Denn es gibt keine Erkenntnis, deren ganzer Sinn nicht
darin bestünde, Seinserkenntnis zu sein.“ Hier spricht Hartmann
1 Festschrift für Paul Natorp. Zum siebzigsten Geburtstag von Schü-
lern und Freunden gewidmet. 1924. S. 124ff.
 
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