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Zweiter ontologischer Teil.
Solange wir im Diesseits wahrnehmbares und verstellbares
Sein begrifflich trennen, was sich nicht vermeiden läßt1, und
dabei zugleich von jeder andern, jenseitigen Seinsart ab sehen
wollen, also jeden Schritt ins Metaphysische meiden, sind wir
genötigt, dem verstellbaren Sein die aus der Sinnenwelt bekannte
„Kausalität“ abzusprechen, denn was nicht mehr sinnlich „wirk-
lich“ ist, hört, wenigstens in der üblichen Bedeutung des Wortes,
auch auf, zu „wirken“. Läßt es sich aber dort, wo wir nach einem
Begriff vom Ganzen des gegenständlich Seienden, also der „Welt“,
suchen, durchführen, daß wir dabei einem Teil der Welt jeden
„wirklichen“ Zusammenhang mit dem Ganzen nehmen? Fällt
damit nicht gewissermaßen das verstellbare Sein aus dem Welt-
zusammenhang überhaupt heraus ? Ja, gibt es nicht Überlegungen,
die uns zu dem Resultat zwingen, daß auch verstellbare Bedeu-
tungen und Sinngebilde irgendwie in der Welt „wirken“ müssen ?
Sie bleiben doch nicht ohne jeden wirklichen Einfluß im Ganzen
der Welt, und wie sollen sie diesen Einfluß ausüben, wenn ihnen
als unsinnlichen, unwirklichen Gebilden jede Möglichkeit, zu wirken,
abgeht ? Müssen sie, im Zusammenhang des Weltganzen aufgefaßt,
nicht noch m ehr sein als nur unsinnlich verstellbar und insofern
nur unwirklich ?
Hier gibt es zum mindesten ein Problem, und sobald man
es verstanden hat, liegt der Gedanke nahe: die Beschränkung auf
das Diesseits und besonders die damit verbundene Beschränkung
auf die sinnlichen Kausalzusammenhänge genüge bei der Bildung
eines umfassenden Weltbegriffs in der Tat nicht, sondern es sei
Metaphysik als Lehre von einem zwar nicht-sinnlichen, aber trotz-
dem „wirklichen“ Sein notwendig, von einem Sein also, das es im
Diesseits nicht gibt, und das müsse dann eine Lehre sein, die zu-
gleich eine Brücke zwischen dem sinnlich Wahrnehmbaren und dem
unsinnlich Verstellbaren zu schlagen hat, um so jene beiden Welten
wieder zu einer Einheit zusammenzufügen, die, solange wir sie in
ihrem bloß diesseitigen Sein betrachten, zu trennen sind. Das führt
aber offenbar zu der Frage: läßt sich das Prädikat „Wirklichkeit“
als Erkenntnisform auf die Inhalte der Sinnenwelt beschränken,
oder gibt es nicht ein wirklich Seiendes noch „darüber hinaus“ und
1 Die Gründe dafür habe ich besonders in meiner Abhandlung: „Die
Erkenntnis der intelligibeln Welt und das Problem der Metaphysik“ (Logos,
Bd. XVI u. XVIII) entwickelt. Ich kann sie hier nicht wiederholen, und sie
sind für das folgende auch nicht entscheidend.
Zweiter ontologischer Teil.
Solange wir im Diesseits wahrnehmbares und verstellbares
Sein begrifflich trennen, was sich nicht vermeiden läßt1, und
dabei zugleich von jeder andern, jenseitigen Seinsart ab sehen
wollen, also jeden Schritt ins Metaphysische meiden, sind wir
genötigt, dem verstellbaren Sein die aus der Sinnenwelt bekannte
„Kausalität“ abzusprechen, denn was nicht mehr sinnlich „wirk-
lich“ ist, hört, wenigstens in der üblichen Bedeutung des Wortes,
auch auf, zu „wirken“. Läßt es sich aber dort, wo wir nach einem
Begriff vom Ganzen des gegenständlich Seienden, also der „Welt“,
suchen, durchführen, daß wir dabei einem Teil der Welt jeden
„wirklichen“ Zusammenhang mit dem Ganzen nehmen? Fällt
damit nicht gewissermaßen das verstellbare Sein aus dem Welt-
zusammenhang überhaupt heraus ? Ja, gibt es nicht Überlegungen,
die uns zu dem Resultat zwingen, daß auch verstellbare Bedeu-
tungen und Sinngebilde irgendwie in der Welt „wirken“ müssen ?
Sie bleiben doch nicht ohne jeden wirklichen Einfluß im Ganzen
der Welt, und wie sollen sie diesen Einfluß ausüben, wenn ihnen
als unsinnlichen, unwirklichen Gebilden jede Möglichkeit, zu wirken,
abgeht ? Müssen sie, im Zusammenhang des Weltganzen aufgefaßt,
nicht noch m ehr sein als nur unsinnlich verstellbar und insofern
nur unwirklich ?
Hier gibt es zum mindesten ein Problem, und sobald man
es verstanden hat, liegt der Gedanke nahe: die Beschränkung auf
das Diesseits und besonders die damit verbundene Beschränkung
auf die sinnlichen Kausalzusammenhänge genüge bei der Bildung
eines umfassenden Weltbegriffs in der Tat nicht, sondern es sei
Metaphysik als Lehre von einem zwar nicht-sinnlichen, aber trotz-
dem „wirklichen“ Sein notwendig, von einem Sein also, das es im
Diesseits nicht gibt, und das müsse dann eine Lehre sein, die zu-
gleich eine Brücke zwischen dem sinnlich Wahrnehmbaren und dem
unsinnlich Verstellbaren zu schlagen hat, um so jene beiden Welten
wieder zu einer Einheit zusammenzufügen, die, solange wir sie in
ihrem bloß diesseitigen Sein betrachten, zu trennen sind. Das führt
aber offenbar zu der Frage: läßt sich das Prädikat „Wirklichkeit“
als Erkenntnisform auf die Inhalte der Sinnenwelt beschränken,
oder gibt es nicht ein wirklich Seiendes noch „darüber hinaus“ und
1 Die Gründe dafür habe ich besonders in meiner Abhandlung: „Die
Erkenntnis der intelligibeln Welt und das Problem der Metaphysik“ (Logos,
Bd. XVI u. XVIII) entwickelt. Ich kann sie hier nicht wiederholen, und sie
sind für das folgende auch nicht entscheidend.