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Zweiter ontologischer Teil.

lieh durch das Wort ab gelehnt. Nichts ist so viel wie nicht,
„sonst nichts1“.
Wie steht es nun mit diesem Begriff, wenn wir zunächst an
das denken, was wir früher über das „Sein“ in seiner allgemein-
sten Bedeutung als bloßes Denkprädikat gesagt haben?
Da kommen wir, sobald dies Sein verneint wird, zu eigen-
artigen Schwierigkeiten. Nehmen wir „sein“ als bloße Denkform,
so vermögen wir uns kein „etwas“ zu denken, das nicht in diesem
allgemeinsten Sinn des Wortes „ist“. Darüber wurde eingehend
gesprochen. Nicht allein der Satz der Identität: „a ist a“, setzt
das Sein des a im weitesten Sinne, genauer: das a als seiend prä-
diziert, voraus, sondern sogar, wenn wir den „Satz vom Wider-
spruch“ so formulieren, daß wir sagen: „a ist nicht nicht-a“, muß
das a im weitesten Sinne des Wortes auch hier „sein“, denn wir
können, kein Prädikat, auch dessen Negation nicht, als wahr
aussagen, ohne die Voraussetzung zu machen, daß das, wovon oder
worüber wir es aussagen, im weitesten Sinne des Wortes „ist“.
Halten wir aber an diesen früheren Überlegungen fest, wie
sollen wir dann den Begriff des Nichts als den des nicht-etwas-
seienden in einem wahren Sinngebilde als Subjekt überhaupt
unterbringen ? Sowohl wenn wir sagen: „nichts ist“, als auch wenn
wir sagen: „nichts ist nicht“ scheint der Satz sich selbst zu wider-
sprechen. Wir sagen in beiden Fällen von dem Nichts etwas aus,
das wahr sein soll, entweder daß es ist, oder daß es nicht ist, und
wir müssen insofern voraussetzen, daß auch das Nichts ist. Trotz-
dem aber sprechen wir ihm zugleich das Sein ab, sowohl wenn wir
es nichts nennen, als auch wenn wir sagen, daß es nicht „ist“. Wir
können also vom Nichts keine Aussage machen, auch die nicht,
daß es nicht ist. Folgt daraus nicht, daß es unmöglich ist, unter
dem Nichts nur das Nicht-Etwas zu verstehen, falls wir von
dem Nichts überhaupt etwas aussagen wollen? Verbietet der
Begriff des Nichts es also nicht, ihn zum Subjekt (unoxd^evov)
eines wahren Satzes zu machen ? Müssen wir nicht von vorneherein
feststellen: „nichts“ ist, wie „nicht“, nur als Prädikat, ja nur als
Prädikatsbestandteil eines wahren Sinngebildes, d. h. als „nicht
1 Vgl. hierzu: Martin Heidegger, Was ist Metaphysik? Freiburger
Antrittsrede (1929), S. 9f. Sprachlich kann man sich schon gegen Heideggers
„Entfaltung“ seiner Frage wenden. Sachlich wird dadurch selbstverständlich
noch nichts entschieden, aber die „Selbstverständlichkeit“ der Frage immerhin
angetastet.
 
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