X. Sein und Nichts.
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wird. Mephistopheles ist weder Platoniker noch Mystiker, sondern
in Wahrheit Nihilist, was der Mystiker nur dem Worte nach ist.
So muß es bei Mephistopheles sein, falls er sich selbst treu bleiben
will. Nur dem Nichts als dem Andern der Welt gehört seine Liebe.
Der Schöpfer der Welt kennt ihn als einen der Geister, die ver-
neinen, und er selbst stellt sich Faust als den Geist, der stets ver-
neint, vor. Aus seinem Wesen ergibt sich: für ihn ist alles, was für
andere, Gott und Menschen „seiend“ ist, schlechthin nichtig, und
sollte daher nicht sein. Er kann zwar das Sein der Welt nicht
leugnen, aber er stellt ihm das Nichts als das zu erstrebende Ziel
gegenüber und redet nun konsequenterweise höchst verächtlich von
dem, „was sich dem Nichts entgegenstellt“. Er bezeichnet es als
„das Etwas, diese plumpe Welt“. Wir sehen: hier haben wir ganz
radikal die Welt in ihrer Totalität auf der einen, und das Nichts
als Nicht-Welt, aber darum trotzdem als Etwas, auf der anderen
Seite.
Diese Verneinung des Welt-Seins und dies Aufstellen des Nichts
als des andern Gliedes einer Alternative bringt Mephistopheles
mehrfach zum Ausdruck. Nur dort, wo er Faust abschrecken will,
schildert er das Reich der Mütter mit Hilfe von Negationen. Sonst
liebt er das Nichts, und am charakteristischsten zeigt sich das
vielleicht an der Stelle der Dichtung, wo er nach Fausts Tod nichts
davon wissen will, daß es nun „vorbei“ sei. Er nennt vorbei „ein
dummes Wort“. Warum? Der Grund ist klar, sobald man an
seinen Nihilismus denkt. Wenn man „vorbei“ sagt, so könnte man
glauben, es sei einmal etwas gewesen, das nur jetzt nicht mehr ist.
Aber sogar das will Mephistopheles nicht anerkennen. Das Nichts
ist das einzige, das für ihn wahrhaft „ist“. Daher sagt er: „Vorbei
und reines Nichts vollkommenes Einerlei“. Wenn er die Worte
hört: „es ist vorbei“, dann fragt er: „Was ist daran zu lesen?“
Und er antwortet:
„Es ist so gut, als wär es nicht gewesen,
Und treibt sich doch im Kreis, als wenn es wäre,
Ich liebte mir dafür das ewig Leere.“
Dies ewig Leere ist selbstverständlich das Kenon der griechischen
Metaphysik und zugleich das Nichts. Als Symbol dafür wird auch
die Nacht oder die Finsternis genannt. Ihr entstammt das Licht
als die von Gott geschaffene Welt, und in Nacht wird die Welt ein
mal wieder aufgehen. Das hoffte Mephistopheles. Die Nacht allein,
d. h. das Nichts, ist die Mutter, das Ewige.
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wird. Mephistopheles ist weder Platoniker noch Mystiker, sondern
in Wahrheit Nihilist, was der Mystiker nur dem Worte nach ist.
So muß es bei Mephistopheles sein, falls er sich selbst treu bleiben
will. Nur dem Nichts als dem Andern der Welt gehört seine Liebe.
Der Schöpfer der Welt kennt ihn als einen der Geister, die ver-
neinen, und er selbst stellt sich Faust als den Geist, der stets ver-
neint, vor. Aus seinem Wesen ergibt sich: für ihn ist alles, was für
andere, Gott und Menschen „seiend“ ist, schlechthin nichtig, und
sollte daher nicht sein. Er kann zwar das Sein der Welt nicht
leugnen, aber er stellt ihm das Nichts als das zu erstrebende Ziel
gegenüber und redet nun konsequenterweise höchst verächtlich von
dem, „was sich dem Nichts entgegenstellt“. Er bezeichnet es als
„das Etwas, diese plumpe Welt“. Wir sehen: hier haben wir ganz
radikal die Welt in ihrer Totalität auf der einen, und das Nichts
als Nicht-Welt, aber darum trotzdem als Etwas, auf der anderen
Seite.
Diese Verneinung des Welt-Seins und dies Aufstellen des Nichts
als des andern Gliedes einer Alternative bringt Mephistopheles
mehrfach zum Ausdruck. Nur dort, wo er Faust abschrecken will,
schildert er das Reich der Mütter mit Hilfe von Negationen. Sonst
liebt er das Nichts, und am charakteristischsten zeigt sich das
vielleicht an der Stelle der Dichtung, wo er nach Fausts Tod nichts
davon wissen will, daß es nun „vorbei“ sei. Er nennt vorbei „ein
dummes Wort“. Warum? Der Grund ist klar, sobald man an
seinen Nihilismus denkt. Wenn man „vorbei“ sagt, so könnte man
glauben, es sei einmal etwas gewesen, das nur jetzt nicht mehr ist.
Aber sogar das will Mephistopheles nicht anerkennen. Das Nichts
ist das einzige, das für ihn wahrhaft „ist“. Daher sagt er: „Vorbei
und reines Nichts vollkommenes Einerlei“. Wenn er die Worte
hört: „es ist vorbei“, dann fragt er: „Was ist daran zu lesen?“
Und er antwortet:
„Es ist so gut, als wär es nicht gewesen,
Und treibt sich doch im Kreis, als wenn es wäre,
Ich liebte mir dafür das ewig Leere.“
Dies ewig Leere ist selbstverständlich das Kenon der griechischen
Metaphysik und zugleich das Nichts. Als Symbol dafür wird auch
die Nacht oder die Finsternis genannt. Ihr entstammt das Licht
als die von Gott geschaffene Welt, und in Nacht wird die Welt ein
mal wieder aufgehen. Das hoffte Mephistopheles. Die Nacht allein,
d. h. das Nichts, ist die Mutter, das Ewige.