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Zweiter ontologischer Teil.

Hier genügt wieder zur Ablehnung alles bekannten Seins
sogar das Nichts nicht, und es muß ähnlich wie im ,,Übernichts“
noch gesteigert werden durch den Begriff dessen, wovon man nicht
weiß, was es ist, also auch nicht weiß, daß es Nichts ist. Aber im
Grunde kommt dies ebenfalls wieder nur auf das Andere des uns
bekannten Seins hinaus.
Alles zusammengefaßt finden wir endlich in den folgenden
Versen, die als bester Kommentar zu allen Sätzen gelten können,
in denen gerade das Positive mit dem Namen „nichts“ bezeichnet
ist. Eine Fülle von Bestimmungen wird hier ausdrücklich verneint.
Das, was dann noch als das Andere des Verneinten übrig bleibt,
darauf kommt es an:
„Was Gott ist, weiß man nicht: er ist nicht Licht, nicht Geist,
Nicht Wahrheit, Einheit, Eins, nicht, was man Gottheit heißt,
Nicht Weisheit, nicht Verstand, nicht Liebe, Wille, Güte,
Kein Ding, kein Unding auch, kein Wesen, kein Gemüte,
Er ist, wie ich und Du und keine Kreatur,
Ehe wir geworden sind, was er ist, nie erfuhr.“
Einer Erklärung bedürfen diese Verse weiter nicht. Nur das
sei noch einmal ausdrücklich hervorgehoben, inwiefern das Nichts
der Mystik, trotz des gemeinsamen Namens, das Gegenstück zu
Platons Nichts darstellt. Das Wert-Vorzeichen ist hier gewisser-
maßen umgekehrt. Für Platon ist die Sinnenwelt, deren „Sein“ er
nicht leugnen kann, nicht „wahrhaft“ seiend, und deswegen be-
kommt sie den Namen Nichts. Der Mystiker macht dagegen dem
Sinnenmenschen, um für ihn verständlich zu werden, die Kon-
zession, das, was dieser für das Seiende hält, ebenfalls als „seiend“
zu bezeichnen, und daher muß er das, was ihm das „eigentlich“
Seiende ist, das völlig Andere der räumlich-zeitlichen Welt, näm-
lich Gott, das Nicht-Seiende oder das Nichts nennen. Es ist das
Andere des Seins, das der Sinnenmensch für das eigentlich Seiende
hält. Deshalb allein kann er auch glauben, im „Nichts“ des Sin-
nenmenschen „das All“ zu finden.
Die Worte lassen an Goethes Faust denken, der ebenfalls in
dem, was Mephistopheles als Nichts schildert, das All zu finden
hofft, und zur Erläuterung unserer Gedanken sei auch das Nichts
des Teufels als ein interessantes Beispiel neben das Nichts Platons
und das Nichts der Mystik gestellt. Das Wort hat hier wieder eine
völlig andere Bedeutung. Aber das liegt nur an der Art, wie hier
„das Andere des Nichts“, d. h. das Sein der Welt positiv aufgefaßt
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften