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X. Sein und Nichts.

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Doch wir sind noch nicht vollständig zu Ende. Die Absicht
Heideggers, im Nichts das Metaphysische oder Transzendente zu
finden, ist für uns noch unter einem andern Gesichtspunkt interes-
sant, und zwar wieder zur Bestätigung unserer Gedanken.
Wir wiesen früher auf die Schwierigkeit hin, für das Prädikat,
das die Metaphysik für ihre Sinngebilde braucht, falls sie ihre Er-
kenntnis zum Ausdruck bringen will, d. h. für die Form des über-
sinnlichen oder transzendenten Seins einen Inhalt zu finden, der
dann als „Subjekt“ (u7coxsqjLsvov) zusammen mit diesem Prädikat
ein gegenständlich wahres Sinngebilde ergibt. Stellt man nun an
Stelle eines inhaltlich erfüllten und transzendent seienden Gegen-
standes „das Nichts“ als das Transzendente der immanenten Welt
gegenüber, die allein als erkennbar übrig bleibt, so verzichtet man
damit von vorneherein und ausdrücklich auf jeden Inhalt für die Er-
kenntnisform des transzendenten Seins, und es läßt sich nach unseren
früheren Ausführungen wohl begreifen, wie man bei der Unmöglich-
keit, den Inhalt des Transzendenten oder Übersinnlichen anschau-
lich zu erfassen, zu diesem Verzicht kommen kann. Man verzich-
tet aber, wenn man das Transzendente „Nichts“ nennt, damit
zugleich auch auf die Verwendung von Symbolen, die auf einen
direkt nicht erfaßbaren Inhalt wenigstens hinweisen, und man
kommt damit dann zu einer Art des metaphysischen Nihilismus,
der besagt: gerade das, wofür sich zwar ein Prädikat als Form,
nämlich der Begriff des transzendenten oder metaphysischen „Seins“,
aber kein anschaulicher Inhalt als „Subjekt“ finden läßt; und
was daher mit Rücksicht auf seinen Inhalt mit Recht als das Nichts
bezeichnet wird, gerade das ist das Metaphysische. So bleibt das
Jenseits seinem Inhalt nach in der Tat völlig unbestimmt oder
„leer“. Wir behalten von ihm nur seine Form: es „ist“ trans-
zendent.
Diesem Gedankengange, der das Metaphysische im Nichts fin-
det, können wir gerade von unserm Standpunkt aus Konsequenz
nicht absprechen. Aber zugleich steht fest: der Gedankengang ist
doch „nur“ konsequent, d. b. nur logisch, und man wird daher
fragen dürfen, ob Heidegger an dieser Stehe, wo er das Andere
der erkennbaren Welt nur noch als „Nichts“ bezeichnen will,
nicht gerade der von ihm bekämpften Alleinherrschaft des Ver-
standes allzu sehr verfallen ist. Das Wort „nichts“ ist allerdings,
solange man sich streng in den Schranken des Verstandes hält,
das einzige Wort, das verwendbar bleibt, falls man für das Andere
 
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