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Dibelius, Martin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1931/32, 4. Abhandlung): Jungfrauensohn und Krippenkind: Untersuchungen zur Geburtsgeschichte Jesu im Lukas-Evangelium — Heidelberg, 1932

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https://doi.org/10.11588/diglit.40162#0070
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70

Martin Dibelius:

Okeanos1; etwas weiter links finden wir dann die für uns wesent-
liche Darstellung: ein stehender Mann (bisweilen zwei), manch-
mal mit einem Stab, vor ihm oder hinter ihm ein oder zwei liegende
Herdentiere (Widder oder Stiere), dazu bisweilen vor dem „Hir-
ten“ ein mannshoher, etwas über ihn geneigter Gegenstand, eine
Säule, ein Fels oder eine Mauer; da dieser auf manchen Denk-
mälern fehlt, scheint er kein notwendiges Requisit zu sein. Die
Reihenfolge der Figuren ist hier wie bei den folgenden Darstellungen
nicht immer genau die gleiche. Weiter links findet sich dann, meist
in der Mitte der oberen Bildleiste, die Hütte, in der der Stier liegt,
links davon ist der Stier in einem Nachen zu sehen und noch weiter
links die Szene des Schützen Mithras: der Gott schießt mit seinem
Bogen in eine Wolke (?), unter der ein Mensch kniet, das herab-
strömende Wasser aufzufangen; gewöhnlich steht eine dritte Figur
hinter Mithras. Den Beschluß macht in der linken oberen Ecke
der Kopf des Sol.
In diesen Bildern findet Cumont eine „Anbetung der
Hirten“; er erklärt die Darstellungen so, daß der Hirt oder die
Hirten, hinter einem Felsen verborgen, der Geburt des Gottes zu-
schauen, während ihre Herde hinter ihnen weidet. Allein zunächst
ist die Verbindung der Hirtenfiguren mit der Felsgeburt energisch
zu bestreiten. Sie kann überhaupt nur erschlossen werden aus den
Monumenten von Potaissa (204), Karlsburg (194) und Alvincz (195).
Auf dem ersten ist der Stehende hinter dem „Felsen“ links neben
der Geburt zu sehen; seine Tiere weiden getrennt von ihm, denn
dazwischen lagert noch Okeanos. Die Denkmäler 194 und 195
zeigen zwei „Hirten“, von denen einer einen Stab hält, neben der
Geburt und durch keinerlei Felskulisse von ihr geschieden; die
„Herde“ fehlt in beiden Fällen. Endlich kommt noch ein Monu-
ment aus Apulum (199) in Betracht, auf dem eine Figur, die hinter
einem „Felsen“ kniet, neben der Geburt zu sehen ist; doch wäre
hier zu fragen, ob der Kniende nicht etwa zur Schützenszene (ganz
links) gehört, und kniet, um Wasser aufzufangen2. Aber selbst wenn
es sich dabei um einen „Hirten“ handelt, dem die Tiere dann
ebenso fehlen würden wie auf Nr. 194 und 195, erweist sich das
Nebeneinander von „Hirten“ und Felsgeburt als komposi-
1 Belege für diese Deutung und andere Interpretationen bei Behn, Das
Mithras-Heiligtum zu Dieburg, S 11.
2 Diese Vermutung wird durch das Monument Nr. 171 bestätigt, wo
derselbe Kniende mitsamt dem Felsen links von Hütte und Nachen, beim
Schützen, zu sehen ist.
 
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