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Josef Koch Cusanus-Texte: I. Predigten 2/5.
Die letzte Gruppe enthält eine höchst bedeutsame Entwicklung
der Trinitätslehre aus dem Begriff der sich selbst verschenkenden
oder ausgießenden Güte. Der Vater ist das Prinzip von allem, der
Sohn das Urbild (praeconceptus) alles zu Schaffenden, der Hl. Geist
das Wohlgefallen (dilectio) des Vaters am Urbild1. Hier geht Nico-
laus also genau den entgegengesetzten Weg zur Begründung der
Trinitätslehre wie in der Predigt von 1431. Dort sieht er ganz von
der Schöpfung ab und entwickelt Gottes Dreifaltigkeit aus seiner
Selbsterkenntnis. Hier geht die Betrachtung gerade von dem
Schöpfungsakt aus; da er kein notwendiger Vorgang, sondern ein
Akt freier Güte ist, so setzt er einen Plan voraus, der Gottes Wohl-
gefallen findet. Darin sind die drei Momente gegeben, die Nicolaus
zur begrifflichen Konstruktion der Trinität benutzt.
Beide Versuche sind einseitig; jener birgt die Gefahr des Rück-
falles in den Aristotelischen Gottesbegriff voYjoscog vo^otg2 in sieb,
d. h. in den Begriff des in die Betrachtung seiner selbst versun-
kenen absoluten Geistes, der sich um die Welt nicht kümmert.
Dieser die andere Gefahr, den trinitarischen Prozeß nur als ein
Vorspiel zur Schöpfung anzusehen. In dem von Nicolau s gebrauch-
ten Terminus des praeconceptus macht sich diese Gefahr deutlich
genug geltend.
Es ist nun höchst interessant, daß die nächste Predigt über
den Johannesprolog sowohl die Augustinische, als auch eine zwar
neue, aber letztlich Dionysische Ableitung der Dreifaltigkeit ent-
hält. Diese Predigt hielt Nicolaus vor dem Erzbischof und dem
Klerus von Trier (C 55r — 58v; Vx 36vb—39vb; p 11 v — 15r)3.
Jahr und Tag sind leider im Entwurf nicht vermerkt; doch dürfte
als Jahr wohl 1443 in Betracht kommen, als Tag entweder das Fest
Mariä Verkündigung oder ein Tag der Advents- und Weihnachts-
zeit4. Die Predigt unterscheidet sich wieder in ganz charakteristi-
1 „Praecessit igitur omnem creaturam principium quod ipsum (corr. ex
ipsam) praeconcepit et cui praeconceptus placuit. . . . Principium igitur, prae-
conceptus et dilectio est una essentia quae dicitur aeternitas. Principium est
Pater, praeconceptus est Verbum seu Filius procedens a Patre, dilectio est
Spiritus sanctus procedens a Patre et Verbo“ (n. 10).
2 Vgl. Aristoteles Met. A c. 9 (1074 b 33): ,,oo>xov apa vosi, efasp laxi
TÖ '/.pdxicxov, y.cd ecrav 7] vor(aiq vor(a£«t; vo7]<np“
3 Das Entwurfbuch allein enthält (f. 55r) die Einleitung der Predigt,
die der Kopist von Vx übersah. Darum fehlt sie natürlich auch in p. Ich
habe oben S. 8 f. Anfang und Schluß mitgeteilt.
4 Die Predigt ist jedenfalls vor dem 6. Januar 1445 gehalten; denn in
der an diesem Tage gehaltenen Predigt („Dies sanctificatus illuxit nobis“)
Josef Koch Cusanus-Texte: I. Predigten 2/5.
Die letzte Gruppe enthält eine höchst bedeutsame Entwicklung
der Trinitätslehre aus dem Begriff der sich selbst verschenkenden
oder ausgießenden Güte. Der Vater ist das Prinzip von allem, der
Sohn das Urbild (praeconceptus) alles zu Schaffenden, der Hl. Geist
das Wohlgefallen (dilectio) des Vaters am Urbild1. Hier geht Nico-
laus also genau den entgegengesetzten Weg zur Begründung der
Trinitätslehre wie in der Predigt von 1431. Dort sieht er ganz von
der Schöpfung ab und entwickelt Gottes Dreifaltigkeit aus seiner
Selbsterkenntnis. Hier geht die Betrachtung gerade von dem
Schöpfungsakt aus; da er kein notwendiger Vorgang, sondern ein
Akt freier Güte ist, so setzt er einen Plan voraus, der Gottes Wohl-
gefallen findet. Darin sind die drei Momente gegeben, die Nicolaus
zur begrifflichen Konstruktion der Trinität benutzt.
Beide Versuche sind einseitig; jener birgt die Gefahr des Rück-
falles in den Aristotelischen Gottesbegriff voYjoscog vo^otg2 in sieb,
d. h. in den Begriff des in die Betrachtung seiner selbst versun-
kenen absoluten Geistes, der sich um die Welt nicht kümmert.
Dieser die andere Gefahr, den trinitarischen Prozeß nur als ein
Vorspiel zur Schöpfung anzusehen. In dem von Nicolau s gebrauch-
ten Terminus des praeconceptus macht sich diese Gefahr deutlich
genug geltend.
Es ist nun höchst interessant, daß die nächste Predigt über
den Johannesprolog sowohl die Augustinische, als auch eine zwar
neue, aber letztlich Dionysische Ableitung der Dreifaltigkeit ent-
hält. Diese Predigt hielt Nicolaus vor dem Erzbischof und dem
Klerus von Trier (C 55r — 58v; Vx 36vb—39vb; p 11 v — 15r)3.
Jahr und Tag sind leider im Entwurf nicht vermerkt; doch dürfte
als Jahr wohl 1443 in Betracht kommen, als Tag entweder das Fest
Mariä Verkündigung oder ein Tag der Advents- und Weihnachts-
zeit4. Die Predigt unterscheidet sich wieder in ganz charakteristi-
1 „Praecessit igitur omnem creaturam principium quod ipsum (corr. ex
ipsam) praeconcepit et cui praeconceptus placuit. . . . Principium igitur, prae-
conceptus et dilectio est una essentia quae dicitur aeternitas. Principium est
Pater, praeconceptus est Verbum seu Filius procedens a Patre, dilectio est
Spiritus sanctus procedens a Patre et Verbo“ (n. 10).
2 Vgl. Aristoteles Met. A c. 9 (1074 b 33): ,,oo>xov apa vosi, efasp laxi
TÖ '/.pdxicxov, y.cd ecrav 7] vor(aiq vor(a£«t; vo7]<np“
3 Das Entwurfbuch allein enthält (f. 55r) die Einleitung der Predigt,
die der Kopist von Vx übersah. Darum fehlt sie natürlich auch in p. Ich
habe oben S. 8 f. Anfang und Schluß mitgeteilt.
4 Die Predigt ist jedenfalls vor dem 6. Januar 1445 gehalten; denn in
der an diesem Tage gehaltenen Predigt („Dies sanctificatus illuxit nobis“)