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Nikolaus [Hrsg.]; Koch, Josef [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1938/39, 4. Abhandlung): Die Auslegung des Vaterunsers in vier Predigten — Heidelberg, 1940

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https://doi.org/10.11588/diglit.41999#0021
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XVII. Domine, in lumine vultus tui (n. 32—•34).

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32. Dann fügt er das Gesetz der Kirche, die der Leib Christi
ist, an: „Wie auch wir vergeben unseren Schuldigem“.
Denn einander ohne Unterschied und ohne Ausnahme lieben ist
das ganze Gesetz (unserer) Gemeinschaft oder Kirche. Niemand
darf also seinen Bruder in Christus hassen, wenn er von Gott ge-
liebt sein will. Und es gibt kein Gesetz, welches nicht in seiner
Vollkommenheit dieses wäre. Denn was will jegliches Gesetz an-
deres, als daß man andere so behandelt, wie man wünscht selbst
behandelt zu werden ? Das heißt aber einander vergeben! Christus
sagte uns das; Paulus, Johannes und die übrigen Apostel pre-
digten es.
33. Dann fügt er an: „Und führe uns nicht in Versu-
chung“. Er will zeigen, daß nicht alle, die Vergebung erfahren,
auch in der Gnade befestigt sind, sondern noch versucht werden
und fallen können und darum unablässig der Gnade Gottes be-
dürfen. Mit dem Wort: „Und führe uns nicht in Versuchung“
wollte er etwa sagen: „Da wir in dieser Welt nicht ohne Versuchung
sein können und uns niemand außer dir, o Gott, vor dem Fall
bewahren kann, so laß nicht zu, daß wir in Versuchung fallen“.
Denn „führe in“ (die Versuchung) hat wohl diesen Sinn: mag uns
der Teufel oder die Welt oder das Fleisch in Versuchung führen,
so kann sie sich doch nicht bis zu unserer Besiegung oder Ver-
führung steigern, wenn Gott es nicht zuläßt. Er bewirkt ja, wie
man lehrt, auch das, was er zuläßt, freilich auf besondere Weise.
So soll der Mensch nicht glauben, er könne von der Übermacht
des Versuchers besiegt werden, wenn Gott seine schützende Hand
nicht zurückzieht, vielmehr sollen wir alles Gott zuschreiben und
ihn allein als unseren Beschützer anbeten und kein Geschöpf. Denn
es gibt keins, das aus sich irgend etwas über den Menschen ver-
möchte.
34. Als letzte Bitte fügt er an: „Sondern erlöse uns von
dem Übel“. Darin wird unser Glaube belehrt, daß Gott allein
uns vom Übel erlösen kann. Durch das Wort „sondern erlöse
uns“ zeigt er, daß die Erlösung vom Übel Gott im eigentlichsten
Sinne zukommt, nicht aber das Vorausgegangene, nämlich das In-

20—22. cf. CYPRIANUS De dominica oratione c. 25, CSEL III 285, 26:
Qua in parte ostenditur nihil contra nos adversarium posse, nisi Deus ante
permiserit, ut omnis timor noster et devotio atque observatio ad Deum
convertatur etc.
25. cf. Sermo 18 n. 43, p. 84, 14seq.
 
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