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Nikolaus [Hrsg.]; Koch, Josef [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1938/39, 4. Abhandlung): Die Auslegung des Vaterunsers in vier Predigten — Heidelberg, 1940

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https://doi.org/10.11588/diglit.41999#0125
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CLXXXXIV. Domus mea domus orationis vooabitur (n. 2—4). 125
diensten singen: alles das heißt beten, nach dem Wort: „Ohne Unterlaß
betet, wer ohne Unterlaß Gutes tut“. Betrachten wir ferner die ver-
schiedenen menschlichen Berufe, so ist Herrschen Aufgabe der Fürsten,
Kämpfen Aufgabe der Ritter, Handel treiben Aufgabe der Bürger, Feld-
arbeit tun Aufgabe der Bauern, Beten aber Aufgabe aller. Um das zu
zeigen, hat unser Heiland öfter gebetet.
3. Der zweite Grund ist die Leichtigkeit (des Gebetes): je leichter
eine Sache ist, umso besser ist sie, wie man bei den Tugenden sieht. Eb
gibt drei göttliche Tugenden: Glaube, Hoffnung und Liebe. Aber der
Akt des Glaubens ist schwierig: wir müssen glauben, was wir nicht
sehen; ebenso der Akt der Hoffnung: wir müssen erhoffen, was wir
noch nicht besitzen; aber der Akt der Liebe ist gar süß, weil nach
Augustin nichts süßer ist als die Liebe zu Gott; denn sie hält immer
den Liebenden (mit dem Geliebten) verbunden, weil sie selbst die Ver-
einigung des Liebenden mit dem Geliebten ist. Weil sie also leichter
ist, darum ist sie besser; wie Paulus sagt: „Die größte von ihnen ist
die Liebe“. Ferner sehen wir, daß das leichteste unter den Elementen,
nämlich das Feuer, auch das edelste ist usw. Und weil das Gebet ein
leichtes Tun ist, darum ist es edler.
4. Der dritte Grund ist seine Erhabenheit: denn nach Johannes
von Damaskus ist „das Gebet die Bitte um geziemende Gaben von
Gott“. Es ziemt sich aber für den Menschen, Gott nur um das zu bitten,
was sich für ihn ziemt zu geben. Dem Erhabenen ziemt aber nur
Erhabenes. Darum lehrt der Meister im Evangelium: „Wenn ihr den
Vater um etwas in meinem Namen bittet, wird er es euch geben“. 'Et-
was’ bezeichnet die Wesenheit. Und darum müssen wir um Wesent-
liches und Dauerndes bitten. Darum sagt auch Aristoteles im 7. Buch
der Metaphysik, daß die Wesenheit eigentlich das Seiende ist, das durch
sich selbst wesend und dauernd ist, alles andere ist nicht eigentlich ein
Seiendes, sondern dem Seienden Zufallendes. Wer darum das Wesent-
liche übersieht und nur Zufallendes erbittet, der wird nicht erhört, da
er ja das göttliche Gebot nicht erfüllt. Der aber übersieht das Wesent-
liche, der nur so und so Großes oder so und so Beschaffenes erbittet;
so und so Großes: zum Beispiel zeitliche Größe an Macht und irdischem
Reichtum; so und so Beschaffenes: zum Beispiel Schönheit oder irdi-
sche Würde. Darum sagt Jakobus in seinem Brief: „Ihr bittet und
werdet es doch nicht empfangen“. Man muß im Gebet hauptsächlich
um das an sich Liebenswerte bitten; so ist das Leben an sich liebens.
wert, Kleidung oder Nahrung nur insoweit, als sie zum Leben gehören _

DINUS DE TUSCANELLA Sermo „Si quid petieritis“ (Cod. I. F. 724 bibl.
univers. Wratislav., 119 ob): Circa quod notandum quod sapiens consideranda
omnia creata in decem genera illa divisit <( Cod.: dimisit), scilicet in substan-
tiam, in quantitatem, in qualitatem etc. Sed constat quod praeter substan-
tiam nihil est. Quid enim dicit rem stabilem [120ra\ et inpermutabilem; sed
nihil est stabile in mundo etc.
20. cf. ARISTOTELES Met. Z c. 1 (1028 a 15seqq. 30seq.).
27. Iac. 4, 3.
 
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