Zweites Kapitel
Literarhistorische Untersuchung
von Josef Koch
§ 1. Zeitliche Bestimmung der Vaterunser-Predigten.
1. „Domine, in lumine vultus tui ambulabunt“
(Pr. XVII)
Die Predigt über Ps. 88, 16. 17 steht, wie schon in der Ein-
führung (S. 3) gesagt wurde, in dem kleinen Heft, das heute
mit der großen Predigthandschrift 220 der Bibliothek des St. Niko-
laus-Hospitals verbunden ist. Sie umfaßt die Seiten 9v—14v.
Auf f. 9v steht die kurze Einleitung (vgl. oben n. 1, S. 12) und die
ausführliche Disposition (vgl. unten S. 196 Anm. 1). Der erste
Hauptteil der Predigt beginnt f. 10r mit den Worten ,,Paulus
apostolus“. Mit diesen Anfangsworten wird sie bei Vansteen-
berghe1 und auch in der Heidelberger Ausgabe der ,,Docta Igno-
rantia“ (S. 31, Anm. 13’—16) zitiert. Das ist aber, wie man sieht,
ungenau.
Für die Bewertung der Predigt und vor allem für die richtige
Beurteilung ihres Verhältnisses zu der folgenden deutschen Aus-
legung des Vaterunsers ist natürlich die Frage wichtig, wann die
Predigt entstanden ist. Am oberen Rand von f. 9v steht: ,,in die
Gircumcisionis Augustae“, am oberen Rand von lOr: ,,1440 in die
Circumcisionis Augustae“. Predigt XVI „Dies sanctificatus“, die
auf f. 4r—8r in demselben Heft steht, hat die Überschrift: ,,1440
in Augusta“. Die Herausgeber2 bemerken dazu: „hoc est, nostra
quidem temporum ratione, 1439“. Ich glaube aber nicht, daß die
Frage sich so kurz erledigen läßt. Denn es kommen zwei Möglich-
keiten in Betracht: entweder berechnete Cusanus die Daten nach
dem Gebrauche seiner heimatlichen Diözese Trier, dann handelt es
sich um das Weihnachtsfest 1440 und Neujahr 1441; denn in Trier
1 E. Vansteenbergi-ie, Le Cardinal Nicolas de Cues, S. 476: 1440 Augs-
bourg, 6. janv., Paulus apostolus, C, 10. Das Datum des 6. Jan. statt 1. Jan.
ist wohl ein Druckfehler.
2 Vgl. IJSB. 1928/29, 3. Abh., S. 8, Anm.
Literarhistorische Untersuchung
von Josef Koch
§ 1. Zeitliche Bestimmung der Vaterunser-Predigten.
1. „Domine, in lumine vultus tui ambulabunt“
(Pr. XVII)
Die Predigt über Ps. 88, 16. 17 steht, wie schon in der Ein-
führung (S. 3) gesagt wurde, in dem kleinen Heft, das heute
mit der großen Predigthandschrift 220 der Bibliothek des St. Niko-
laus-Hospitals verbunden ist. Sie umfaßt die Seiten 9v—14v.
Auf f. 9v steht die kurze Einleitung (vgl. oben n. 1, S. 12) und die
ausführliche Disposition (vgl. unten S. 196 Anm. 1). Der erste
Hauptteil der Predigt beginnt f. 10r mit den Worten ,,Paulus
apostolus“. Mit diesen Anfangsworten wird sie bei Vansteen-
berghe1 und auch in der Heidelberger Ausgabe der ,,Docta Igno-
rantia“ (S. 31, Anm. 13’—16) zitiert. Das ist aber, wie man sieht,
ungenau.
Für die Bewertung der Predigt und vor allem für die richtige
Beurteilung ihres Verhältnisses zu der folgenden deutschen Aus-
legung des Vaterunsers ist natürlich die Frage wichtig, wann die
Predigt entstanden ist. Am oberen Rand von f. 9v steht: ,,in die
Gircumcisionis Augustae“, am oberen Rand von lOr: ,,1440 in die
Circumcisionis Augustae“. Predigt XVI „Dies sanctificatus“, die
auf f. 4r—8r in demselben Heft steht, hat die Überschrift: ,,1440
in Augusta“. Die Herausgeber2 bemerken dazu: „hoc est, nostra
quidem temporum ratione, 1439“. Ich glaube aber nicht, daß die
Frage sich so kurz erledigen läßt. Denn es kommen zwei Möglich-
keiten in Betracht: entweder berechnete Cusanus die Daten nach
dem Gebrauche seiner heimatlichen Diözese Trier, dann handelt es
sich um das Weihnachtsfest 1440 und Neujahr 1441; denn in Trier
1 E. Vansteenbergi-ie, Le Cardinal Nicolas de Cues, S. 476: 1440 Augs-
bourg, 6. janv., Paulus apostolus, C, 10. Das Datum des 6. Jan. statt 1. Jan.
ist wohl ein Druckfehler.
2 Vgl. IJSB. 1928/29, 3. Abh., S. 8, Anm.