Metadaten

Nikolaus [Hrsg.]; Koch, Josef [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1938/39, 4. Abhandlung): Die Auslegung des Vaterunsers in vier Predigten — Heidelberg, 1940

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.41999#0181
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Zweites Kapitel: Literarhistorische Untersuchung. §1.

181

alt sind; es sind also 28x50 Jahre, d. h. 1400 Jahre verflossen.
Von dem 29. Jahre sind aber auch schon vier Fünftel vorüber.
Das letzte Fünftel beginnt aber natürlich mit dem Jahre 1441.
Der Beginn dieses Jahrzehnts ist deshalb für die Christenheit so
bedeutungsvoll, weil ihm im Leben Christi die Taufe im Jordan
usw. entspricht. Im Hinblick darauf wünscht der Prediger seinen
Zuhörern, daß sie das neue Jahr, in dem Christus erscheinen wird,
auch in Christus, d. h. als Glieder seiner Kirche, erleben.
Aus dieser Stelle der Predigt scheint sich also mit Evidenz zu
ergeben, daß sie zu Beginn des Jahres 1441 gehalten worden ist.
Dagegen spricht aber eine andere Stelle, die man nicht übersehen
darf:
6. Paulus apostolus ad Galatas scribens, eosdem in verdate evangelii
instruens quomodo nos liberi sumus in Christo et a servitute liberati, ait in
epistola hodiernae dominicae: „Quanto tempore heres parvulus est,
nihil differt a servo“ etc. (C 10 r).
Die Epistel, auf die Cusanus anspielt, ist die des Sonntags
innerhalb der Oktav des Weihnachtsfestes (Gal. 4, 1—7). Nun
fielen der 25. Dezember 1440 und der 1. Januar 1441 auf einen
Sonntag; es gab also in diesem Jahr keinen Sonntag innerhalb
der Oktav. Der Gedanke, daß etwa die Messe des genannten Sonn-
tags auf den Oktavtag verlegt worden sei, kommt gar nicht in Be-
tracht, weil das Fest der Beschneidung eine eigene Messe hat
(Epistel: Tit. 2, 11-—15). 1439 fiel das Weihnachtsfest auf einen
Freitag, der 27. Dezember war also ein Sonntag. An diesem Sonn-
tag, so dürfen wir annehmen, hat Cusanus seine Predigt ent-
worfen ; und es ist sehr begreiflich, daß er der Tagesepistel gedachte,
weil er ja zeigen wollte, daß Christus die Menschen aus ihrer Un-
freiheit erlöst und mit der Fülle der Weisheit und Gnade be-
glückt hat.
Hat nun Cusanus die Predigt am 1. Januar 1440 gehalten,
so ist natürlich seine Rechnung, daß nunmehr das letzte Fünftel
des 29. Jubeljahres beginne, falsch. Und doch begreiflich, weil bei
seiner Berechnung die Zahl 50 die entscheidende Rolle spielt, so
daß offenbar die Jahre 1400, 1450 und 1500, und nicht 1401, 1451
und 15pi für ihn den Beginn einer neuen Zeit bedeuteten1.
1 Wie unsicher Cusanus in seinen Berechnungen war, zeigt auch die
Niederschrift der „Coniectura de ultimis diebus“ in der von mir als erstes
Entwurfbuch bezeichneten Hs.220(C)f. 126r—127v. Die für die Datierung
entscheidende Stelle (126v) lautet: ,,Unde cum ecclesia sit Christum expli-
catorie sequens qui est magister et dominus, annos ipsius domini complica-
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften