Drittes Kapitel: Erläuterungen. §2.
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gehenden kann man nicht kürzer kennzeichnen, als es hier mit
dem einen Satz geschieht: „Want büßen die oberfte glorie is keyn
ftat des puren vnuergentlichen fteden gudes“ (S. 84, 15f.)-
Damit weist Cusanus nochmals zurück auf die vorher gekenn-
zeichnete Bedrohung des Menschen durch die Schuld, durch seine
für das himmlische Gesetz unempfängliche irdische Natur und
durch die von einem trügerischen Scheingut drohende Versuchung.
All das fällt weg, wenn die Gnade zur „Glorie des ewigen Gutes“
wird.
Nun ist es auch nicht mehr schwer, die Proportionalität der
letzten vier Glieder der Auslegung zu erfassen. Der innere Zu-
sammenhang zwischen der Vergebung, die wir selbst empfangen
haben, und derjenigen, die wir anderen zuteil werden lassen müssen,
leuchtet ohne weiteres ein: eins ist vom anderen nicht zu trennen.
Durch die Erfüllung dieses himmlischen Gesetzes des Vergebens,
das alle anderen in sich schließt, wiru nun unsere irdische Natur
„der göttlichen Ewigkeit teilhaftig“ (n. 23); wir haben hier ein
sicheres Kennzeichen, ob wir „Gottes Kinder“, „Kinder des ewigen
Lebens“ sind (n. 40). Dem entspricht das Verhältnis zwischen den
beiden letzten Gliedern. Die Bewahrung in der Gnade hat die Er-
lösung vom Übel zur Folge; auch diese beiden sind voneinander
untrennbar. Dies ist aber nur der geringere Vergleichspunkt; ent-
scheidend ist, daß sich das 6. und 8., 7. und 9. Glied zueinander
wie Vorbereitung und Vollendung verhalten: die Bewahrung in
der Gnade ist die Vollendung der Vergebung der Schuld, und die
Glorie ist die Vollendung der Gotteskindschaft. Der Unterschied,
auf den man immer bei solchen Verhältnisähnlichkeiten stößt —
wir fanden ihn ja auch bei der Proportionalität der ersten vier
Glieder — ist hier der, daß wir als Christen das Gesetz des Ver-
gebens erfüllen und uns damit als Gottes Kinder erweisen können;
die Erlösung vom Übel und damit die Glorie kann nur Gott uns
schenken.
Nunmehr müssen wir uns zum mittleren Abschnitt wen-
den, um dessen Struktur zu erkennen. Cusanus deutet sie in der
Einleitung (n. 24) an. Da in uns eine himmlische und eine irdische
Natur vereint sind, so bitten wir um das Brot, dessen beide be-
dürfen. Danach könnte man nun erwarten, daß die Bitte in der
herkömmlichen Weise ausgelegt wird, nämlich als Bitte um das
Brot für die Seele — Christus im Sakrament — und um das Brot
für den Leib, zumal Cusanus sich auf den verschiedenen Text der
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gehenden kann man nicht kürzer kennzeichnen, als es hier mit
dem einen Satz geschieht: „Want büßen die oberfte glorie is keyn
ftat des puren vnuergentlichen fteden gudes“ (S. 84, 15f.)-
Damit weist Cusanus nochmals zurück auf die vorher gekenn-
zeichnete Bedrohung des Menschen durch die Schuld, durch seine
für das himmlische Gesetz unempfängliche irdische Natur und
durch die von einem trügerischen Scheingut drohende Versuchung.
All das fällt weg, wenn die Gnade zur „Glorie des ewigen Gutes“
wird.
Nun ist es auch nicht mehr schwer, die Proportionalität der
letzten vier Glieder der Auslegung zu erfassen. Der innere Zu-
sammenhang zwischen der Vergebung, die wir selbst empfangen
haben, und derjenigen, die wir anderen zuteil werden lassen müssen,
leuchtet ohne weiteres ein: eins ist vom anderen nicht zu trennen.
Durch die Erfüllung dieses himmlischen Gesetzes des Vergebens,
das alle anderen in sich schließt, wiru nun unsere irdische Natur
„der göttlichen Ewigkeit teilhaftig“ (n. 23); wir haben hier ein
sicheres Kennzeichen, ob wir „Gottes Kinder“, „Kinder des ewigen
Lebens“ sind (n. 40). Dem entspricht das Verhältnis zwischen den
beiden letzten Gliedern. Die Bewahrung in der Gnade hat die Er-
lösung vom Übel zur Folge; auch diese beiden sind voneinander
untrennbar. Dies ist aber nur der geringere Vergleichspunkt; ent-
scheidend ist, daß sich das 6. und 8., 7. und 9. Glied zueinander
wie Vorbereitung und Vollendung verhalten: die Bewahrung in
der Gnade ist die Vollendung der Vergebung der Schuld, und die
Glorie ist die Vollendung der Gotteskindschaft. Der Unterschied,
auf den man immer bei solchen Verhältnisähnlichkeiten stößt —
wir fanden ihn ja auch bei der Proportionalität der ersten vier
Glieder — ist hier der, daß wir als Christen das Gesetz des Ver-
gebens erfüllen und uns damit als Gottes Kinder erweisen können;
die Erlösung vom Übel und damit die Glorie kann nur Gott uns
schenken.
Nunmehr müssen wir uns zum mittleren Abschnitt wen-
den, um dessen Struktur zu erkennen. Cusanus deutet sie in der
Einleitung (n. 24) an. Da in uns eine himmlische und eine irdische
Natur vereint sind, so bitten wir um das Brot, dessen beide be-
dürfen. Danach könnte man nun erwarten, daß die Bitte in der
herkömmlichen Weise ausgelegt wird, nämlich als Bitte um das
Brot für die Seele — Christus im Sakrament — und um das Brot
für den Leib, zumal Cusanus sich auf den verschiedenen Text der