Metadaten

Nikolaus [Hrsg.]; Koch, Josef [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1938/39, 4. Abhandlung): Die Auslegung des Vaterunsers in vier Predigten — Heidelberg, 1940

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.41999#0223
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Drittes Kapitel: Erläuterungen. §2.

223

ist sie sinnliche Natur. Diese hat eine Hinneigung zu dem, was
Gott entgegengesetzt ist, nämlich zur Vergänglichkeit, zur Unwahr-
heit und zu dem, was nur scheinbar gut ist. Des Menschen Auf-
gabe ist es nun, seine sinnliche Natur der vernünftigen unterzu-
ordnen, so daß sie ihre verkehrte Neigung verliert und ganz zur
Geistigkeit der Vernunft erhöht wird (vgl. n. 43, S. 86, 3f.). Das
vermag er nicht ohne Gottes Gnade, und deshalb bittet er um das
Lebenshrot.
Die Antwort auf die erste oben gestellte Frage ist nun so ge-
halten, daß Cusanus die entscheidenden Gedanken gleichsam als
These voranstellt (n. 25) und diese dann in der Auslegung der
Brotbitte weiter entwickelt (n. 26—30). Die These können wir
etwa so formulieren: da unsere himmlische Natur eine innere An-
lage zur Unsterblichkeit, Wahrheit und Gutheit hat, so muß das
Lebensbrot derart sein, daß es alles, was uns an Wesen, Wahrheit
und Gutheit noch mangelt, gibt (S. 60, lf.). Das vermag nur der
ewige Sohn Gottes, der die Wahrheit und das Wort Gottes selbst
ist (S. 56, 5ff.). Indem wir ihn durch den Glauben in das ,,Herz
unseres Lebens“ (S. 58, 1) aufnehmen, werden wir zur Unsterb-
lichkeit gespeist und kommen damit in den Besitz des höchsten
Gutes selbst. Schließt sich so die These eng an die Trias Wesen
(Unsterblichkeit), Wahrheit und Gutheit an, so tritt bei der
Erläuterung der Brotbitte wieder die formale Disposition nach
Glaube, Hoffnung und Liebe in ihre Rechte. Der Glaube sagt
uns, daß Christus wirklich das „überwesentliche Brot“ ist (n. 27);
darum ist es auch nicht derart, daß es sich in unsere Natur ver-
wandelt, wie die gewöhnliche Speise, vielmehr gibt Christus uns
das Leben dadurch, daß er uns mit sich vereinigt (n. 28). Wir
müssen also mit seinem Leibe, der Kirche, vereint sein, und auf
dieser unserer Zugehörigkeit zur Kirche beruht unsere Hoffnung,
mit diesem himmlischen Brot genährt zu werden (n. 29). Die Liebe
endlich treibt uns ständig dazu an, um dieses Brot zu bitten; denn
sie weiß, daß wir es nur aus Gnade erhalten (n. 30). Der letzte
Satz dieses Abschnitts (S. 64, 18ff.) bringt dann die Überleitung
zum zweiten Teil der Auslegung.
Auch hier steht die These voran: Christus ist unser Brot für
die irdische Wanderschaft zu ihm hin. Er wird uns in seinem
Wesen, seiner Weisheit und seiner Gutheit zur Speise gegeben;
wieder gibt also die Trias ens, verum, bonum die Gesichtspunkte
für die Auslegung. Nun kommt jedoch der entscheidende Zusatz:
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften