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Nikolaus [Hrsg.]; Koch, Josef [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1938/39, 4. Abhandlung): Die Auslegung des Vaterunsers in vier Predigten — Heidelberg, 1940

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https://doi.org/10.11588/diglit.41999#0229
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Drittes Kapitel: Erläuterungen. §4.

229

ausführlich den Gedanken, daß Christus das „Mittel“ ist, durch
welches die Geschöpfe zu Gott zurückkehren. Da die Benutzung
dieses Werkes in „De Docta Ignorantia“ durch die Herausgeber
nachgewiesen ist* 1, so kann man dessen Einfluß auch bei der Vater-
unser-Auslegung voraussetzen.
Die Begriffe Ausfluß und Bückfluß gehören zum Gedanken-
gut des Neuplatonismus und sind Stücke der Trias povp, 7rpoo§o<;,
iTuaTpcxpY). Sie ist wohl nicht erst von Proklos ausgedacht2, aber
jedenfalls durch ihn zu einem wesentlichen Element neuplatoni-
scher Weltdeutung geworden. Nach der Übersetzung des Wil-
helm von Moerbeke, die auch Cusanus in seiner Bibliothek hatte
(heute Hs. 195 der Hospitalsbibliothek in Cues), lautete prop. 35
seiner „Elementatio theologica“: „Omne causatum et man et in
sua causa et procedit ab ipsa et convertitur ad ipsam“. Bei
dem theologischen Charakter der Auslegung ist es unwahrschein-
lich, daß dieser Satz unmittelbare Bedeutung für die Disposition
gehabt hat. Viel eher kommen hier theologische Quellen in Be-
tracht; in erster Linie Dionysius, der die Trias von Proklos
übernommen3 und ins Theologische transponiert hat. In der Über-
setzung des Ambrosius Traversari, die in der cusanischen Biblio-
thek war (heute Hs. 43), lautet die wichtigste einschlägige Stelle
aus De divinis nominibus c. 4, § 144:
Hinc diligibilem quidem ipsum atque amabilem vocant, ut
pulchrum atque bonum; amorem vero rursus vocant ac dilectio-
nem, ut qui sit movens simul et ut provehens virtus ad se ipsum,
quod solum ipsum per se pulchrum ac bonum est, et veluti qui
sit suimet per se ipsum expressio et eximiae illius coniunctionis
benignus processus atque amatorius motus simplex se movens,
per se operans, qui ante erat in bono et ex bono substantiis
emanans ac rursus se ad bonum convertens; in quo quidem
Dei unigenito, incarnato, inhumanato adhuc specialiter restitutus est, in fine
vero mundi generaliter et universaliter in eodem restaurabitur. Quod enim
specialiter in se ipso perfecit, generaliter in omnibus perficiet“. Vgl. M. Cap-
puyns, Jean Scot Erigene, 1933, S. 361 ff.
1 Vgl. die Zusammenstellung auf S. 175 der Heidelberger Ausgabe. Aus
dem Brief vom 9. Sept. 1454 (vgl. oben S. 187 Anm. 1) geht auch hervor, daß
Nikolaus das Werk gelesen hat.
2 Vgl. 1IPOKAOY AIAAOXOY üeoXoyixY), ed. E. R. Dodds,
Oxford 1933, S. 220f. (gegen Zeller).
3 Vgl. H. Koch, Pseudo-Dionysius Areopagita in seinen Beziehungen
zum Neuplatonismus und Mysterienwesen, 1900, S. 82f.
4 Dionysiaca I, S. 221f.
 
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