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256 J. Koch und H. Teske Cusanus-Texte: I. Predigten, 6.
bleibt hier das Verhältnis von vernunjfi und verjtentenis unklar
(vgl. 82, 21). Das Wenige, was sich sonst an Psychologischem
findet, ist schnell aufgezählt: 36, 3f. ist die Rede von dem begriff-
lich wort, das da flu j et au ff der macht des verjtentenijs vnd is eyn
glichnijs des verjtentenis1. Auch in dem oben wiedergegebenen
Schema sind psychologische Elemente enthalten. Der Blick des
Cu sanus ist aber auf etwas ganz anderes gerichtet, nämlich auf
die Gottbezogenheit der Vernunft. Das ergibt sich sofort aus der
ersten Stelle, wo jynlicheit und verjtentenis einander gegenüber-
gestellt werden (34, 1 ff.). Während der irdische Bereich der Sinn-
lichkeit fern von der Erkenntnis Gottes ist, wird er in den hymelen
der oberften verjtentenis funden mit den äugen der verftentelichen
naturen usw. Auch an andern Stellen wird der hymele des verjten-
tenis , da got wonende is, der jynlicheit gegenübergestellt (vgl. 54, 2;
86, 5). 66, 17f. fällt insofern etwas aus diesem Zusammenhang
heraus, als hier mit dem hymele des verjtentenis die Anschauung
Gottes gemeint ist; sie gehört trotzdem hierher, weil auch dort
als Gegensatz nicht etwa die Welt des Glaubens, sondern die werlt
der jynlicheit erscheint, die sinnliche Zeichen oder Sakramente zur
Vermittelung der Gnade notwendig macht.
Aus dem Gesagten ergibt sich nun auch, was man unter jyn-
licheit zu verstehen hat: die Gesamtheit der sinnlichen Erkenntnis-
kräfte. Von den einzelnen Sinnen ist nur gelegentlich die Rede
(vgl. 66, 13). Die zweite Bedeutung des Wortes jyn (— Kunst,
Weisheit) erscheint nur in der formelhaften Bezeichnung meyjter
von den hochjten jynnen (28, 20).
Nun geht aber aus einigen Stellen hervor, daß die jynlicheit
auch Kräfte des Begehrens umschließt. So sagt Cusanus 54, 5,
daß wir aen die gnaede gottes dem fleisch vnd der jynlicheit nit wyder-
fteen {mögen). Das setzt voraus, daß die so gekennzeichneten Kräfte
sich gegen 'uns5, d. h. gegen die geistigen Kräfte, auflehnen. Der-
gleichen kann man naturgemäß nicht von Erkenntniskräften sagen.
Dasselbe ergibt sich 86, 3ff.: wenn der ganze Mensch zu Gott
hingekehrt ist, dann ist auch die jynlicheit in die geijtlicheit vnfers
verjtentenis erzuckt, d. h. das sinnliche Begehren gehorcht voll-
kommen der Vernunft. So ergibt sich also, daß jynlicheit die Ge-
samtheit der Kräfte sinnlichen Erkennens und Begehrens bezeich-
net. Es zeigt sich weiter, daß wie das verjtentenis, so auch die
jynlicheit nicht psychologisch, sondern theologisch gekennzeichnet

1 Vgl. auch Pr. 71, S. 102, 21 f.
 
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