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J. Koch und H. Teske Cusanus-Texte: I. Predigten, 6.
Aus dem Gesagten ergibt sich nun, daß Cusanus doch nicht
nur ein geistreiches Spiel mit den Worten gelichnis und glich treibt.
Zwar verwendet er beide sowohl für den Bereich des Kontrakten
wie für den des Absoluten, aber doch in sehr verschiedener Weise.
Gelichnis schließt im Sinne von Abbild Ähnlichkeit, aber nicht
notwendigerweise Gleichheit ein; darum fügt Cusanus zu dem
Wort bei der Anwendung auf die göttliche Sphäre oberft (36, 15;
38, 11) bzw. alleroberjt vnd wairhaftichjt (36, 20) hinzu. Hingegen
reserviert er glich für diese Sphäre (36, 5. 10. 11. 13; vgl. DI 62,
10), und der zweite Teil von n. 11 (36, 17 ■— 38, 2) hat den Sinn,
dies ausdrücklich zu Bewußtsein zu bringen: wo im geschöpflichen
Bereich eins dem andern 'gleich’ ist, kann es ihm doch noch gleicher
sein; eine absolute Gleichheit ist da nicht erreichbar, vielmehr ijt
alle gelichnis (d. h. alle im Abbild gegebene Ähnlichkeit) off dijjem
ertrich gemenget mit vngelich (d. h. mit Ungleichheit) 36, 22. Wo
Cusanus weiterhin auf das Verhältnis von Vater und Sohn zu
sprechen kommt, verwendet er folgerichtig glich (40, 6. 8. 14;
46, 5), nicht gelichnis.
Der dritte Terminus vereynigung wird von Cusanus längst
nicht in dieser Präzision gebraucht, wie sich schon aus der Erklä-
rung des Begriffes rieh ergibt (40, 2ff.). Infolgedessen fügt er zu
ihm, wie wir schon früher sahen, die Bezeichnung der Absolut-
heitssphäre oberft hinzu (40, 4. 6. 9.12.15). Die gegensätzliche Kenn-
zeichnung der Sphäre des Geschöpflichen tritt ergänzend hinzu:
hier gibt es auch Liebe, sie ist aber gemenget mit leide; hier gibt
es auch Friede, er ist aber gemenget mit vnfride, und alle Freund-
schaft und Vereinigung ist hier gebrechlich (40, 20ff.). Die termino-
logische Parallele zu 32, 18 und 36, 22 ist offenkundig. Das Kenn-
zeichen alles Kontrakten ist die Mischung von Positivem und
Negativem (vgl. DI 65, 19ff.), das Absolute allein ist ungemischt,
also positiv schlechthin, pur (84, 16; vgl. 84, 12).
Außerdem darf man aber die Bedeutung des Verbums verei-
nigen in n. 18, S. 46, 3. 9 nicht übersehen; denn es drückt hier
gerade das aus, was für den cusanischen Gottesbegriff entschei-
dend ist, die coincidentia oppositorum. Das ergibt sich aus
erst ist geleichnüzze, daz man sich geleich mach got an aller lauterkeit. . . .
Daz dritte ist einung, di kümt von geleichnüzz“ usw. Paradisus anime intelli-
gente (hrsg. von Ph. Strauch, 1919) Pr. 61, S. 129, 8f.: „glichnisse ist di
groiste wollust und freude di in deme himmilriche ist; und queme Got in di
sele und inwere si ime nicht glich, si worde da fon gepinigit“.
J. Koch und H. Teske Cusanus-Texte: I. Predigten, 6.
Aus dem Gesagten ergibt sich nun, daß Cusanus doch nicht
nur ein geistreiches Spiel mit den Worten gelichnis und glich treibt.
Zwar verwendet er beide sowohl für den Bereich des Kontrakten
wie für den des Absoluten, aber doch in sehr verschiedener Weise.
Gelichnis schließt im Sinne von Abbild Ähnlichkeit, aber nicht
notwendigerweise Gleichheit ein; darum fügt Cusanus zu dem
Wort bei der Anwendung auf die göttliche Sphäre oberft (36, 15;
38, 11) bzw. alleroberjt vnd wairhaftichjt (36, 20) hinzu. Hingegen
reserviert er glich für diese Sphäre (36, 5. 10. 11. 13; vgl. DI 62,
10), und der zweite Teil von n. 11 (36, 17 ■— 38, 2) hat den Sinn,
dies ausdrücklich zu Bewußtsein zu bringen: wo im geschöpflichen
Bereich eins dem andern 'gleich’ ist, kann es ihm doch noch gleicher
sein; eine absolute Gleichheit ist da nicht erreichbar, vielmehr ijt
alle gelichnis (d. h. alle im Abbild gegebene Ähnlichkeit) off dijjem
ertrich gemenget mit vngelich (d. h. mit Ungleichheit) 36, 22. Wo
Cusanus weiterhin auf das Verhältnis von Vater und Sohn zu
sprechen kommt, verwendet er folgerichtig glich (40, 6. 8. 14;
46, 5), nicht gelichnis.
Der dritte Terminus vereynigung wird von Cusanus längst
nicht in dieser Präzision gebraucht, wie sich schon aus der Erklä-
rung des Begriffes rieh ergibt (40, 2ff.). Infolgedessen fügt er zu
ihm, wie wir schon früher sahen, die Bezeichnung der Absolut-
heitssphäre oberft hinzu (40, 4. 6. 9.12.15). Die gegensätzliche Kenn-
zeichnung der Sphäre des Geschöpflichen tritt ergänzend hinzu:
hier gibt es auch Liebe, sie ist aber gemenget mit leide; hier gibt
es auch Friede, er ist aber gemenget mit vnfride, und alle Freund-
schaft und Vereinigung ist hier gebrechlich (40, 20ff.). Die termino-
logische Parallele zu 32, 18 und 36, 22 ist offenkundig. Das Kenn-
zeichen alles Kontrakten ist die Mischung von Positivem und
Negativem (vgl. DI 65, 19ff.), das Absolute allein ist ungemischt,
also positiv schlechthin, pur (84, 16; vgl. 84, 12).
Außerdem darf man aber die Bedeutung des Verbums verei-
nigen in n. 18, S. 46, 3. 9 nicht übersehen; denn es drückt hier
gerade das aus, was für den cusanischen Gottesbegriff entschei-
dend ist, die coincidentia oppositorum. Das ergibt sich aus
erst ist geleichnüzze, daz man sich geleich mach got an aller lauterkeit. . . .
Daz dritte ist einung, di kümt von geleichnüzz“ usw. Paradisus anime intelli-
gente (hrsg. von Ph. Strauch, 1919) Pr. 61, S. 129, 8f.: „glichnisse ist di
groiste wollust und freude di in deme himmilriche ist; und queme Got in di
sele und inwere si ime nicht glich, si worde da fon gepinigit“.