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Nikolaus [Hrsg.]; Koch, Josef [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1938/39, 4. Abhandlung): Die Auslegung des Vaterunsers in vier Predigten — Heidelberg, 1940

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https://doi.org/10.11588/diglit.41999#0272
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272 J. Koch und H. Teske Cusanus-Texte: I. Predigten, 6.
minne hat das von nature, das si flüsset und urspringet1 von zweien als ein
ein. . .
Nu sprichet Salomon, das allti wasser unt alle creature ilent unt fliessent
unt wider louffent in iren Ursprünge (freies Zitat von Eccl. 1,7). unt darumb so
ist not das war, so ich gesprochen han: gelichnus unt minne ilet und hitziget
uf celeitenne unt bringenne die sele in den ersten Ursprung des einen, das
unser vatter ist aller in himele unt in erden (19, G—19).
Einige Seiten später bezeichnet er nochmals das ein als ein
war vatter, ein beginne sunder allen begin aller dingen in himele und
in erde (21, 16f.).
Beide Stellen sind auch deswegen bemerkenswert, weil sie den
Unterschied zwischen der Auffassungsweise beider Denker verdeut-
lichen. Eckhart bezeichnet das Eine als wahren Vater und Be-
ginn aller Dinge; Cusanus sagt, daß eyn vater ijt eyn natürlicher
erjter vnd oberjter vrjprung vnd ijt eyn anbegin aller vnjer (30, 6f.).
Diesen Vater bezeichnet er ebenso als das Eine (30, 15) wie den
Sohn als das ihm Gleiche und den Hl. Geist als beider Gemein-
schaft oder Verknüpfung. Mit andern Worten: für Eckhart steht
die Iv-Spekulation des Neuplatonismus im Vordergrund, für Cu-
sanus der christliche Gottesbegriff.
Wenden wir uns nun zu den Termini wf/flus, wyderflos und den
zugehörigen Zeitwörtern. Gerade ihr Gebrauch scheint eine Ver-
wischung des Wesensunterschiedes zwischen Gott und Geschöpf
einzuschließen. Denn wenn die Dinge von Gott ausfließen und
wieder in ihn zurückfließen, dann liegt anscheinend eine wesent-
liche Identität beider vor wie zwischen dem Wasser in der Quelle
und im Fluß. Diese Deutung ist aber falsch, wie sich zeigen wird.
Wjjjlus bezeichnet 26, 15. 19; 28, 7; 48, 5. 14; 60, 13 den
Hervorgang der Geschöpfe aus Gott, das Geschaffenwerden (vgl.
auch Pr. 71, S. 108, 1. 3). So wenig wir heute ein eigenes Sub-
stantiv für die creatio-passio (wie die Theologen sagen) haben, so
wenig das Mittelalter. Cusanus spricht zwar von jchefjunge goites
(60, 11), meint damit aber die Gesamtheit der Geschöpfe. M. Geist
übersetzt wjjjlus 26, 15 und 60, 13 mit emanatio, an den andern
Stellen mit exitus. Das Zeitwort gejchajjen werden kommt nur 86,
17 vor; 46, 18 steht statt dessen aujjlujen, 48, 1 jlijßen. M. Geist
übersetzt an beiden Stellen jluunt.
Bei der Suche nach den lateinischen Korrelaten zu wjjjlus usw.
ergibt sich zunächst die interessante Tatsache, daß in DI II, wo
das Verhältnis von Schöpfer und Geschöpf behandelt wird, sich
1 Vgl. zu dieser Ausdrucksweise auch daselbst 26, lOf. u. 27, 7f.
 
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