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Wahle, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1940/41, 2. Abhandlung): Zur ethnischen Deutung frühgeschichtlicher Kulturprovinzen: Grenzen der frühgeschichtlichen Erkenntnis. 1 — Heidelberg, 1941

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https://doi.org/10.11588/diglit.42021#0030
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30

E. Wahle:

spärlichen Schriftstellernotizen abgerungenen Hinweise bevölke-
rungsgeschichtlich auszuwerten.
Neben den genannten linksrheinischen Germanen nehmen die
ihnen benachbarten Beigen eine besondere Stellung ein. Sie sollen
eine germanische Komponente haben — ebenso wie die nicht zu
ihnen zählenden Treverer —, doch kann dies weder bewiesen noch
entschieden verneint werden. Das bekannteste Beispiel eines
Beigenstammes mit angeblich germanischem Einschlag stellen die
Nervier dar. Wohl scheidet die Antike streng zwischen Galliern
und Beigen, aber worauf sich der Unterschied dieser beiden Völker
gründet, falls das Wesen der Beigen nicht durch eine germanische
Blutsbeimengung bestimmt sein soll, bleibt offen. Es ist sicher
richtig, wenn die Quellenkritik nicht minder scharf die Beigen von
den linksrheinischen Germanen trennt, um zu einer klaren Grup-
pierung der verschiedenen Stämme zu gelangen. Aber in Anbe-
tracht der Möglichkeit, daß die Beigen eine germanische Bei-
mischung haben, möchte man sie ihrer volklichen Zugehörigkeit
nach doch in die Nähe der linksrheinischen Germanen gruppieren.
Ein Stück weiter gelangt man mit der Deutung dieses Zu-
standes durch den berühmten Namenssatz in der Germania des
Tacitus. Danach haben diejenigen Germanen, welche zuerst den
Rhein überschritten und die Gallier vertrieben, den Germanen-
namen als Stammesnamen gehabt, und so sei, wie Tacitus fort-
fährt, „von einem Stamme, nicht von der Nation der Name mit
der Zeit zur Geltung gelangt, so daß alle zuerst von dem Sieger,
um zu schrecken, hernach sie von sich selbst mit dem aufgebrachten
Namen als Germanen bezeichnet wurden.“ Berücksichtigt man,
daß Kelten und Germanen während der letzten vier Jahrhunderte
v. Chr. längs einer ausgedehnten, von der Schelde bis zur Oder
reichenden Front aneinander grenzen, und daß hier fast überall
von seiten der Germanen ein Druck auf den keltischen Siedelungs-
raum ausgeübt wird, dann muß der Vorgang links des Rheines,
der dem germanischen Gesamtvolk den Namen gab, von größerem
Umfang gewesen sein und einen ganz besonderen Eindruck auf die
keltischen Nachbarn gemacht haben. Wie leicht es ist, mit nennens-
werter Kopfzahl den Niederrhein zu überschreiten und dann auf
den durch Maas und Schelde vorgezeiehneten Wegen rasch nach
Süden vorzustoßen, lehrt uns das Beispiel der salischen Franken.

manen. Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur 60,
1936, 350—370; Germanische Frühzeit in den Berichten der Antike, 1939.
 
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