Zur ethnischen Deutung frühgeschichtlicher Kulturprovinzen
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neter Grabfunde, für die Illyrer zu beanspruchen1. Es bedeutet für
den betreffenden Bearbeiter gar nichts, daß sich in jahrzehnte-
langer Entwicklung der Prähistorie die Vorstellung von der La-
Tene-Kultur als einem Erlebnis der Kelten immer mehr gefestigt
hat. Dagegen fällt für ihn entscheidend in die Waagschale, daß
eine Reihe von Umständen eine von der Hallstattzeit her laufende
Kontinuität derjenigen Bevölkerung des Gebietes anzeigt, die als
illyrisch angesehen und von den Trägern der Urnenfelderstufe ab-
geleitet wird. Und so kommt er denn zu der Vorstellung, hier auf
dem Frankenjura habe sich eine Insel illyrischen Volkstums in-
mitten keltischen Gebietes längere Zeit hindurch gehalten; für die
ackerbauenden Kelten soll der Besitz dieser Landschaft, deren
Bodenbeschaffenheit nur Viehzucht gestatte, nicht verlockend
gewesen sein.
Sehr in Übung ist heute das Studium der mesolithischen Er-
scheinungen, dessen Aufgabe es sei, „ihre einzelnen Stufen zu er-
kennen, um so einerseits den Anschluß an die Kulturen des Palä-
olithikums und andererseits an die des Neolithikums zu erreichen“.
In Richtung dieser Problemstellung liegt der Versuch, eine der
hauptsächlichsten Wurzeln der Schnurkeramik im mitteldeutschen
Mesolithikum zu finden2. Dieses Streben bedarf insofern beson-
ders strenger Kritik, als der Schnurkeramik im Rahmen des Indo-
germanenproblems eine große Bedeutung zukommt. Wer es ver-
steht, sie mit formenkundlichen Mitteln im Flußgebiet der Saale
zu verankern, der glaubt damit auch die Indogermanenheimat ge-
funden zu haben. Denn hinter dem Bilde einer ganz bestimmten,
allerdings im wesentlichen nur auf Mikrolithen aufgebauten meso-
lithischen „Kultur“ steht auch hier wieder sofort die Vorstellung
von einem Volk. Ganz im Sinne der Betrachtungsweise Kossinnas
geht man hier dem Problem der Urheimat nach, und mit dem be-
1 Prähistorische Zeitschrift 24, 1933, 96—174 (W. Kersten).
2 Jahresschrift für die Vorgeschichte der sächsisch-thüringischen Länder
22, 1934, 145 (Fr.-K. Bicker); ebenda 24, 1936, 81 (Ders.); Mannus 25,
1933, 249—258 (Ders.); ebenda 28, 1936, 410—422 (Ders.).
Derselbe neuerdings im Nachrichtenblatt für deutsche Vorzeit 16,1940,
236 f.: „Jetzt ist die mittelsteinzeitliche 'grobfeine Mischkultur’, zu der die
Verbindung gesucht wurde, mitten im Kerngebiet der jungsteinzeitlichen
Schnurkeramik nachgewiesen worden. Ihr Träger stellt eine klare anthro-
pologische Vorform der nordisch-fälischen Schnurkeramiker dar. An der
bodenständigen Entwicklung in Mitteldeutschland nun noch zu zweifeln,
dürfte zwecklos sein“.
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neter Grabfunde, für die Illyrer zu beanspruchen1. Es bedeutet für
den betreffenden Bearbeiter gar nichts, daß sich in jahrzehnte-
langer Entwicklung der Prähistorie die Vorstellung von der La-
Tene-Kultur als einem Erlebnis der Kelten immer mehr gefestigt
hat. Dagegen fällt für ihn entscheidend in die Waagschale, daß
eine Reihe von Umständen eine von der Hallstattzeit her laufende
Kontinuität derjenigen Bevölkerung des Gebietes anzeigt, die als
illyrisch angesehen und von den Trägern der Urnenfelderstufe ab-
geleitet wird. Und so kommt er denn zu der Vorstellung, hier auf
dem Frankenjura habe sich eine Insel illyrischen Volkstums in-
mitten keltischen Gebietes längere Zeit hindurch gehalten; für die
ackerbauenden Kelten soll der Besitz dieser Landschaft, deren
Bodenbeschaffenheit nur Viehzucht gestatte, nicht verlockend
gewesen sein.
Sehr in Übung ist heute das Studium der mesolithischen Er-
scheinungen, dessen Aufgabe es sei, „ihre einzelnen Stufen zu er-
kennen, um so einerseits den Anschluß an die Kulturen des Palä-
olithikums und andererseits an die des Neolithikums zu erreichen“.
In Richtung dieser Problemstellung liegt der Versuch, eine der
hauptsächlichsten Wurzeln der Schnurkeramik im mitteldeutschen
Mesolithikum zu finden2. Dieses Streben bedarf insofern beson-
ders strenger Kritik, als der Schnurkeramik im Rahmen des Indo-
germanenproblems eine große Bedeutung zukommt. Wer es ver-
steht, sie mit formenkundlichen Mitteln im Flußgebiet der Saale
zu verankern, der glaubt damit auch die Indogermanenheimat ge-
funden zu haben. Denn hinter dem Bilde einer ganz bestimmten,
allerdings im wesentlichen nur auf Mikrolithen aufgebauten meso-
lithischen „Kultur“ steht auch hier wieder sofort die Vorstellung
von einem Volk. Ganz im Sinne der Betrachtungsweise Kossinnas
geht man hier dem Problem der Urheimat nach, und mit dem be-
1 Prähistorische Zeitschrift 24, 1933, 96—174 (W. Kersten).
2 Jahresschrift für die Vorgeschichte der sächsisch-thüringischen Länder
22, 1934, 145 (Fr.-K. Bicker); ebenda 24, 1936, 81 (Ders.); Mannus 25,
1933, 249—258 (Ders.); ebenda 28, 1936, 410—422 (Ders.).
Derselbe neuerdings im Nachrichtenblatt für deutsche Vorzeit 16,1940,
236 f.: „Jetzt ist die mittelsteinzeitliche 'grobfeine Mischkultur’, zu der die
Verbindung gesucht wurde, mitten im Kerngebiet der jungsteinzeitlichen
Schnurkeramik nachgewiesen worden. Ihr Träger stellt eine klare anthro-
pologische Vorform der nordisch-fälischen Schnurkeramiker dar. An der
bodenständigen Entwicklung in Mitteldeutschland nun noch zu zweifeln,
dürfte zwecklos sein“.