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Wahle, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1940/41, 2. Abhandlung): Zur ethnischen Deutung frühgeschichtlicher Kulturprovinzen: Grenzen der frühgeschichtlichen Erkenntnis. 1 — Heidelberg, 1941

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https://doi.org/10.11588/diglit.42021#0071
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Zur ethnischen Deutung frühgeschichtlicher Kulturprovinzen 71

ihnen zu arbeiten, das in dem Beispiel der Hunsrück-Eifelkultur
begegnete, zeigt sich hier in unvergleichlich stärkerem Maße und
einer entsprechend größeren Auswirkung. Es ist also genau das-
jenige Wirklichkeit geworden, was M. Hoernes vor mehr als einem
Menschenalter kommen sah; ich fürchte, so sagte er anläßlich einer
Erörterung über die Möglichkeiten ethnischer Deutung1, in der
Kossinna zwar nicht genannt, aber doch deutlich angesprochen
wird, „wir sind noch lange nicht am Ziel der ‘germanischen’ Prä-
historie, und der deutsche Stammbaum wird nächstens bis in die
paläozoische Formation zurückverfolgt werden“.
Diese Neigung zur Selbstbeschränkung auf die Typen und zur
Deutung frühgeschichtlicher Vorgänge unseres mittel- und nord-
europäischen Raumes im Sinne einer Autarkie von Gesittung wie
Volkstum geht auf Kossinna zurück. Aus den Kreisen der Vor-
geschichtsforscher heraus hat dieser keinen Widerspruch in der Art
erfahren, daß nun jemand versucht hätte, seine Methode plan-
mäßig zu erschüttern; die wenigen von dieser Seite her erhobenen
Einwendungen fallen nicht sonderlich in die Waagschale. Aber
Kossinna schob auch diejenigen Beanstandungen als belanglos
beiseite, die aus den Bereichen einiger Nachbarwissenschaften er-
hoben wurden. Und doch haben gerade sie noch heute ihre volle
Gültigkeit, insofern Kossinnas Betrachtungsweise in der eben
skizzierten Form weiterlebt. Mit seinen Widersachern setzt sich
Kossinna in ausführlicherer Form nur einmal auseinander, und
zwar in seiner Studie über die Herkunft der Germanen, welche
deshalb auch den Untertitel „Zur Methode der Siedlungsarchä-
ologie“ trägt2. Was er hier gegen M. Hoernes, Ed. Meyer und
0. Schräder vorbringt, ist durch die in unserem vorangegangenen
Kapitel angedeutete, seitdem stattgehabte innere Entwicklung der
Prähistorie ebenso überholt wie durch die eingangs erfolgte Be-
handlung der drei Beispiele. Aber seine Betrachtungsweise wird
in der oben erörterten Form heute weiter geübt, und deshalb ver-
dienen die einst gegen sie gerichteten Bemerkungen noch jetzt
unsere Beachtung.
Die Begegnung Kossinnas mit Hoernes, dem einzigen Fach-
genossen, der ihm gelegentlich in tiefergreifenden Äußerungen ent-
gegentrat, zeigt zwar nicht zwei verschiedene Generationen ein-
ander gegenüber, wohl aber zwei Vertreter viel zu sehr auseinander-
1 Archiv für Anthropologie, N. F. 3, 1905, 238 Anm. 1.
2 1911, 1—18. (S. auch oben S. 59, Anm. 1.)
 
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