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Wahle, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1940/41, 2. Abhandlung): Zur ethnischen Deutung frühgeschichtlicher Kulturprovinzen: Grenzen der frühgeschichtlichen Erkenntnis. 1 — Heidelberg, 1941

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https://doi.org/10.11588/diglit.42021#0073
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Zur ethnischen Deutung frühgeschichtlicher Kulturprovinzen

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von Archäologen“, die ,,auf dem Gebiet der ältesten griechischen
und italischen Geschichte“ den wirrsten Phantasien Raum gegeben
hätten1, denkt also keineswegs nur an den Bereich der mittel- und
nordeuropäischen Prähistorie.
Die Einwände beider ergeben sich zunächst einmal daraus, daß
sie mit einem Stoff zu arbeiten gewohnt sind, der anders als die
Bodenfunde in das Wesen der geschichtlichen Vorgänge blicken
läßt. Aus Bestattungsbrauch und Töpfen, aus Gerätformen und
Ornamentik allein wird für sie eben noch kein Volk und keine
Lebensform wieder aufgebaut; von da bis zur Erkenntnis tatsäch-
lichen Lebens ist also noch ein weiter Weg, und doch sehen die
Genannten, wie sich die Vorgeschichtsforschung mit jenem Ma-
terial begnügt und auf ihm weittragende Schlüsse aufbaut. Wohl
gibt, so sagt Meyer, die Sprache ein gewisses Bild der indogermani-
schen Urzeit; ,,aber der Abstand der Einzelvölker voneinander ist
zu groß, die Entfernung von der Urzeit zu weit, die historische
Gestalt des Urvolkes zu unsicher und verschwommen. Auch fehlt
den Zügen, die wir erkennen können, noch jede geschichtliche Indi-
vidualität; das Bild trägt einen rein ethnologischen Charakter“.
Der Historiker vermißt eben die persönliche Prägung und sieht nur
„die uniforme Masse“; geschichtliche Rückschlüsse zeigen ihm
„wohl den allgemeinen Gang der Entwicklung, aber nicht die von
den Bedingungen des Moments abhängige Einzelgestaltung, welche
erst das Wesen des geschichtlichen Lebens ausmacht“. Sodann
wird hier immer wieder beanstandet, daß die Prähistorie die sich
ablösenden Kulturprovinzen mit Völkern parallelisiert, in bestimm-
ten Fällen aber -— und im Gegensatz dazu -— eine Kontinuität der
Besiedelung annimmt. Meyer findet es „durchaus das Natürliche,
daß sich innerhalb eines größeren Volks, das wir sprachlich und
ethnographisch als Einheit betrachten müssen, in den einzelnen
Stämmen und Gauen besondere Formen des Lebens und des Ge-
schmacks herausbilden. Gilt das doch noch von hochentwickelten
Kulturvölkern, geschweige denn von Zeiten, in denen weder von
einem wenn auch noch so schwachen politischen Zusammenhang
noch selbst von einem Gefühl der Zusammengehörigkeit eines
Volkes die Rede sein kann, sondern die Momente, auf denen das
Volkstum und seine Einheit beruht, durchaus latent sind“. Und
1 Also war es wohl auch nicht richtig, wenn Kos sinn a die Angriffe
Meyers in der zweiten Auflage (l/l 1907, 1/2 1909) ausschließlich auf sich
bezog.
 
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