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E. Wahle:
mit großen Steinen arbeitenden Welt liegen, und in der Tat ist
ja das eine wesentliche Element von Stonehenge, der große Kreis
einheitlich hoher Steinpfeiler mit dem auf ihnen horizontal ruhen-
den Balkenrund, in unsere heutige Monumentalkunst eingegangen1.
Hier greifen wir also den Künstler in seinem Werk, welches so
bedeutend war, daß es in ganzem Umfang und im gleichen Werk-
stoff nicht noch einmal entstanden ist. Und genau so wie diese
Leistung ist diejenige der Früh-La-Tene-Goldschmiede durchaus
einmalig2.
Derartige Künstler können natürlich nur dort gesucht werden,
wo man von Kunst reden darf. Es sei dahingestellt, ob dies in
dem Gesamtgebiete der Prähistorie der Fall ist, oder ob erst von
einem bestimmten Kulturniveau an die individuelle Gestaltungs-
kraft greifbare Formen annimmt; es handelt sich hier ja nur um
das in methodischer Hinsicht Wichtige. Geht man aber mit dieser
Erkenntnis, daß sich die Einzelgestalt in der Tat vermittels einer
besonderen Leistung auch auf archäologischem Wege offenbart,
erneut an den Fundstoff heran, dann bietet auch die Beobachtung
einfacherer Geräte genügend Gelegenheit, den Sprung in der Ent-
wicklung in dem hier interessierenden Sinn zu deuten und sowohl
den innerhalb seiner Grenzen schöpferischen Handwerker wie den
genialen Erfinder zu greifen. Aus der Fülle der Beispiele dieser
Art seien nur einige wenige herausgegriffen.
Zu den ältesten Besonderheiten der nordischen bronzezeit-
lichen Kultur gehört eine Form schwerer Schaftlochäxte; für die
Herstellung der frühesten Exemplare unter ihnen ist der neue
Werkstoff, gleich als ob man noch keine Vorstellung von seinem
Werte hat, in üppiger Menge verwendet, und erst die Folgezeit,
welche diesem Prunkgerät wiederholt eine neue Gestalt gibt, lernt
1 Entwurf eines Bismarck-Nationaldenkmals bei Bingen, Stephan-
brunnen in Karlsruhe, Abstimmungsdenkmal in Allenstein, Freikorps-Ehren-
mal bei Essen (Ruhr), Mittelbau des Thingplatzes bei Halle (Saale).
2 Wenn ich recht sehe, wird in dem prähistorischen Schrifttum der Rolle
des Künstlers noch kaum gedacht, und zwar gilt dies sowohl von dem Buche
von M. Hoernes, Urgeschichte der bildenden Kunst in Europa, 3. Aufl.,
durchges. u. ergänzt von O. Menghin, 1925, wie von den Werken Fr. A.
van Scheltemas, Die altnordische Kunst. Grundprobleme vorhistorischer
Kunstentwicklung, 1923, und Die Kunst unserer Vorzeit, 1936. Leider fehlt
auch bei M. Ebert, Reallexikon der Vorgeschichte, 1924—1932, die Behand-
lung des Künstlers, obwohl die Stichworte soziologischer Richtung hier ebenso
gut wie ausgiebig von R. Thurnwald bearbeitet worden sind.
E. Wahle:
mit großen Steinen arbeitenden Welt liegen, und in der Tat ist
ja das eine wesentliche Element von Stonehenge, der große Kreis
einheitlich hoher Steinpfeiler mit dem auf ihnen horizontal ruhen-
den Balkenrund, in unsere heutige Monumentalkunst eingegangen1.
Hier greifen wir also den Künstler in seinem Werk, welches so
bedeutend war, daß es in ganzem Umfang und im gleichen Werk-
stoff nicht noch einmal entstanden ist. Und genau so wie diese
Leistung ist diejenige der Früh-La-Tene-Goldschmiede durchaus
einmalig2.
Derartige Künstler können natürlich nur dort gesucht werden,
wo man von Kunst reden darf. Es sei dahingestellt, ob dies in
dem Gesamtgebiete der Prähistorie der Fall ist, oder ob erst von
einem bestimmten Kulturniveau an die individuelle Gestaltungs-
kraft greifbare Formen annimmt; es handelt sich hier ja nur um
das in methodischer Hinsicht Wichtige. Geht man aber mit dieser
Erkenntnis, daß sich die Einzelgestalt in der Tat vermittels einer
besonderen Leistung auch auf archäologischem Wege offenbart,
erneut an den Fundstoff heran, dann bietet auch die Beobachtung
einfacherer Geräte genügend Gelegenheit, den Sprung in der Ent-
wicklung in dem hier interessierenden Sinn zu deuten und sowohl
den innerhalb seiner Grenzen schöpferischen Handwerker wie den
genialen Erfinder zu greifen. Aus der Fülle der Beispiele dieser
Art seien nur einige wenige herausgegriffen.
Zu den ältesten Besonderheiten der nordischen bronzezeit-
lichen Kultur gehört eine Form schwerer Schaftlochäxte; für die
Herstellung der frühesten Exemplare unter ihnen ist der neue
Werkstoff, gleich als ob man noch keine Vorstellung von seinem
Werte hat, in üppiger Menge verwendet, und erst die Folgezeit,
welche diesem Prunkgerät wiederholt eine neue Gestalt gibt, lernt
1 Entwurf eines Bismarck-Nationaldenkmals bei Bingen, Stephan-
brunnen in Karlsruhe, Abstimmungsdenkmal in Allenstein, Freikorps-Ehren-
mal bei Essen (Ruhr), Mittelbau des Thingplatzes bei Halle (Saale).
2 Wenn ich recht sehe, wird in dem prähistorischen Schrifttum der Rolle
des Künstlers noch kaum gedacht, und zwar gilt dies sowohl von dem Buche
von M. Hoernes, Urgeschichte der bildenden Kunst in Europa, 3. Aufl.,
durchges. u. ergänzt von O. Menghin, 1925, wie von den Werken Fr. A.
van Scheltemas, Die altnordische Kunst. Grundprobleme vorhistorischer
Kunstentwicklung, 1923, und Die Kunst unserer Vorzeit, 1936. Leider fehlt
auch bei M. Ebert, Reallexikon der Vorgeschichte, 1924—1932, die Behand-
lung des Künstlers, obwohl die Stichworte soziologischer Richtung hier ebenso
gut wie ausgiebig von R. Thurnwald bearbeitet worden sind.