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Wahle, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1940/41, 2. Abhandlung): Zur ethnischen Deutung frühgeschichtlicher Kulturprovinzen: Grenzen der frühgeschichtlichen Erkenntnis. 1 — Heidelberg, 1941

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https://doi.org/10.11588/diglit.42021#0088
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88

E. Wahle :

fränkische Gräberkultur auf ihrem Gebiet mit einem Male als
fertige Erscheinung vor Augen. Stellen auch einzelne Gerätetypen
die Verbindung mit der spätrömischen Zeit her, so ist doch der
Abstand ein weit größerer als gewöhnlich angenommen wird.“ Er
denkt sich den Vorgang demgemäß folgendermaßen: „Die Franken
haben die neue Kunst nicht aus den rheinischen in die neuen
gallischen Sitze mitgebracht, sondern sie haben sie hier wie dort
gleichmäßig und gleichzeitig ausgebildet, nachdem sie in den letzten
Jahrzehnten des 5. Jahrhunderts zur vollen Seßhaftigkeit gelangt
waren.“ Und er sagt dann weiter: „Ganz so, wie nach Götze
(Gotische Schnallen, S. 30) die Entwicklung der italischen Goten-
kunst die Konsolidation der Verhältnisse zur Voraussetzung hat,
so hat auch die Entstehung der fränkischen Kunst die Bildung
eines geordneten Staatswesens und die Aufnahme von politischen
und Handelsbeziehungen zu den Gegenden zur Voraussetzung, aus
denen dann die neuen Anregungen gekommen sind. Das ist aber
erst seit Ghilderich, in vollem Maße erst seit dem Erstarken von
Chlodwigs Macht der Fall gewesen.“ Wenn nun Brenner auf
Funde hofft, welche „das Vacuum des 5. Jahrhunderts werden aus-
füllen müssen“, dann bewegt er sich freilich wieder ganz in den
Gedankengängen einer Zeit, welche überall nach einer geschlos-
senen Entwicklung sucht* 1. Was in den drei seitdem verflossenen
Jahrzehnten an Material neu hinzugekommen ist, gehört entweder
in die Reihengräberzeit oder in die Gruppe der von ihm so ge-
nannten „germanischen Funde der spätrömischen und der Uber-
sammenhang von Bedeutung sind, dann deshalb, weil sie den Reihengräber-
friedhof als gesamteuropäische Erscheinung zum Gegenstand haben; einen
derartigen Überblick über diesen weitschichtigen Stoff hat nach ihnen noch
keine Arbeit wieder gegeben.
Um so mehr wird man es bedauern, daß die besondere Note, welche die
Arbeit Brenners auszeichnet, kaum irgendwo erkannt worden ist. Das liegt
zunächst an der skizzierten Stellungnahme Veecks — und doch hat H. Zeiss
nachgewiesen, auf einen wie schwankenden Boden sich dieser mit seinen Da-
tierungsversuchen begab (Bayerische Vorgeschichtsblätter 14; 1937, 12—26).
Sodann aber zeigt es sich auch hier wieder, wie wenig die jüngere Generation
der Prähistoriker heute über die wichtigeren älteren Arbeiten unterrichtet und
wie weit sie davon entfernt ist, sie bis zu ihren Tiefen auszuschöpfen.
1 a. a. O. 299. — Genau das gleiche Streben zeigt sich übrigens bei Veeck.
Für ihn hat sich die merowingische Kultur ,,im Laufe des 5. Jahrhunderts
entwickelt, und wir können ihre Entwicklung ganz gut verfolgen“ (16. Bericht,
41); insgesamt strebt er danach, „das 5. Jahrhundert mit Funden zu füllen,
die man bisher zu spät auf das 6. Jahrhundert datiert hat“ (15. Bericht, 57).
 
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